Neofaschismus in Italien: »Italianität« à la carte

Die Meloni-Regierung will italienische Restaurants in aller Welt kontrollieren

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Pachamama bietet eine Karte der Vielfalt weit über die »Italiarnität« hinaus.
Pachamama bietet eine Karte der Vielfalt weit über die »Italiarnität« hinaus.

Das post-neo-faschistische Italien versucht, die eigene Geschichte umzuschreiben mit dem klaren Ziel, eine äußerst fragwürdige »Italianität« zu unterstreichen, die tatsächlich niemand genau definieren kann. Das beginnt mit dem Essen, geht über die Literatur und hört mit der Sprache noch lange nicht auf. Fangen wir mit dem 50-jährigen Francesco Lollobrigida an, seines Zeichens Schwager von Frau Giorgia Meloni (Ministerpräsidentin Italiens) und zurzeit Minister für Landwirtschaft und die »Lebensmittelsouveränität«. Was diese Wortschöpfung seiner Meinung nach bedeutet, hat Lollobrigida jüngst erklärt. Er will fortan die »Italianität« der italienischen Restaurants in der ganzen Welt kontrollieren. Diese sollen nur nachgewiesen italienische Produkte verarbeiten und sich an die verbrieften italienischen Rezepte halten. Wer dieser Weisung zuwiderhandelt, soll bestraft werden. Also ein Beispiel: Wenn ein Restaurant in Potsdam, das sich »italienisch« nennt, die berühmte »Pasta alla Carbonara« mit Sahne zubereitet, was man in Italien bekanntlich nicht macht, dann kommt ein (italienischer?) Polizist vorbei und verpasst dem Wirt ein gesalzenes Knöllchen. Oder wenn eine Pizzeria in Peking keine italienische Mozzarella benutzt, sondern ein ähnliches Produkt, das in China hergestellt wurde, dann wird ihr von Amts wegen die Lizenz entzogen. Absurd und undurchführbar? Sicherlich, aber den Herrn Minister für die Lebensmittelsouveränität interessiert das nicht im Geringsten. Wichtig ist nur, dass man von sich reden macht und dem Volk zeigt, dass man es ernst damit meint, Italien auch auf dem Teller zu verteidigen! Aber wer soll denn vorschreiben, welche »die richtige« Fleischsauce für die Pasta ist, wo doch bekanntlich nicht nur jede Region, sondern auch jede »Nonna« (Großmutter) ihr eigenes Rezept hat? Wenn es nicht anders geht, muss man eben ein »Amt für die ›Italianität‹ des Essens« schaffen.

Nun nehmen wir uns einen anderen Minister der italienischen Republik vor, und zwar den für Kultur, Gennaro Sangiuliano. Er will, dass das italienische Staatsfernsehen mehr erbauliche Programme über »italienische Helden« produziert. Das soll den nationalen Zusammenhalt und eben die »Italianität« stärken. Eines soll wahrscheinlich Dante Alighieri gewidmet sein, Dichter der »Göttlichen Komödie« und Vater der italienischen Sprache, der 1265 in Florenz geboren wurde und 1321 in Ravenna starb. Er sei, so der Minister in einem Interview, der »Urvater des rechten Gedankenguts in Italien«. Das ist so, als würde man Walther von der Vogelweide, der ungefähr 100 Jahre vor Dante lebte, als Vorreiter der AfD bezeichnen. Der Protest der Kulturschaffenden und Historiker war so groß, dass sich ein anderer Minister, der Vereinigungsminister Guido Crosetto, zu Wort meldete, der wahrscheinlich nicht damit gerechnet hatte, dass er nicht nur die nationalen Grenzen, sondern zuerst einmal seinen Kollegen verteidigen muss. Er erklärte, man merke, dass »die Linke« keinen Humor habe. Der Kulturminister Sangiuliano habe ganz offensichtlich einen Scherz gemacht. Doch der fand das gar nicht komisch und erklärte, »man müsse die kulturelle Hegemonie der Linken durch eine andere Hegemonie ersetzen« – und zwar die der Rechten. Sein Ziel sei es, »die Kultur zu befreien«.

Kommen wir nun zu Fabio Rampelli, ebenfalls ein Parteifreund von Frau Meloni und zurzeit stellvertretender Vorsitzender der italienischen Abgeordnetenkammer. Er hat ein Gesetz ausgearbeitet, mit dem er die »Italianität« der Sprache verteidigen will. Es sieht unter anderem vor, dass in Italien Italienisch gesprochen wird. Die öffentliche Verwaltung soll keine »ausländischen Wörter« benutzen. Auch die Firmen sollen sich in der Landessprache ausdrücken und in den Universitäten fremdsprachliche Vorlesungen nur dann erlaubt sein, wenn es viele fremdländische Studenten gibt. Sollte sich jemand nicht daran halten, so heißt es in dem Gesetzesvorschlag, müsse er zwischen 5000 und 100 000 Euro Strafe zahlen. Das Gesetz ziele darauf ab, »die Nation zu schützen und die italienische Identität zu verteidigen«.

Der erste Strafzettel müsste dann an seinen Parteifreund Adolfo Urso gehen. Der ist nämlich Minister für »Unternehmen und das Made in Italy«.

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