EU-Spionageskandal endet

Parlamentsausschuss zu Staatstrojanern beschließt von Konservativen verwässerten Bericht

Mit der Spähsoftware »Pegasus« wird ein Handy zur Wanze umfunktioniert.
Mit der Spähsoftware »Pegasus« wird ein Handy zur Wanze umfunktioniert.

Mehrere EU-Staaten setzen Software zum Ausspähen von Telefonen auch gegen Journalisten, Anwälte und oppositionelle Politiker ein. Bekannt wurde dies zu Polen, Spanien, Griechenland und Ungarn. So erhalten Behörden Zugriff auf Inhalte und Funktionen eines Mobiltelefons. Mikrofon und Kamera können aus der Ferne aktiviert werden, das Gerät wird so zu einer Wanze umfunktioniert.

Das EU-Parlament hat deshalb einen Untersuchungsausschuss eingerichtet, der am Montag nach 14 Monaten seinen Abschlussbericht beschlossen hat. Darin verurteilt der Ausschuss »aufs Schärfste den Einsatz von Spähsoftware durch die Regierungen der Mitgliedstaaten, Mitglieder von Regierungsbehörden oder staatliche Institutionen zu dem Zweck, Opposition, Kritiker und die Zivilgesellschaft zu überwachen, zu erpressen, einzuschüchtern, zu manipulieren und zu diskreditieren«.

»Pegasus« in zwölf EU-Staaten eingesetzt

Auslöser für das Einsetzen des Ausschusses waren Medienberichte über die israelische NSO Group, die ihr Trojanerprogramm »Pegasus« an Staaten verkauft, die nachweislich die Menschenrechte verletzen. So soll etwa der von Saudi-Arabiens Regierung umgebrachte Journalist Jamal Khashoggi mit »Pegasus« ausspioniert worden sein. Neben Kontakten zu repressiven Regierungen in Asien, Afrika und Lateinamerika unterhielt die NSO Group Geschäftsbeziehungen mit zwölf EU-Staaten, darunter Deutschland. Die im Ausschuss zuständige Berichterstatterin Sophie in ’t Veld sprach deshalb von »Europas Watergate«.

In den am Montag ebenfalls beschlossenen Forderungen heißt es, dass Fälle des mutmaßlichen Missbrauchs von Spähsoftware von den zuständigen Behörden »umfassend untersucht und unverzüglich aufgeklärt werden« müssten. Die Staaten sollten nachweisen, dass der Einsatz von Trojanerprogrammen wie »Pegasus« im Einklang mit europäischen Standards für Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit erfolgt. Nötig sei außerdem die »ausdrückliche Zusage«, die EU-Polizeiagentur Europol bei Ermittlungen wegen des Verdachts der unrechtmäßigen Verwendung von Spyware hinzuzuziehen. Zudem fordern die Abgeordneten beim Export von Spionagesoftware die Dual-Use-Verordnung für militärisch und zivil einsetzbare Technik zu beachten.

Ursprünglich hatten viele Parlamentarier ein Moratorium zum Handel mit und zur Verwendung von Spähsoftware wie »Pegasus« gefordert, konnten sich jedoch damit nicht durchsetzen – auf Druck der Konservativen taucht das Wort »Moratorium« nicht einmal mehr im Bericht auf.

Plenum berät Resolution

Bis Dezember 2023 sollen die EU-Staaten die Forderungen der Abgeordneten erfüllen. Die EU-Kommission wird aufgerufen, dies zu kontrollieren. Sanktionen für den Fall der Nichterfüllung drohen die Abgeordneten nicht an – hierzu haben sie auch keine Möglichkeit, denn der mit einer Mehrheit von 30 Stimmen, drei Gegenstimmen und vier Enthaltungen beschlossene Bericht ist nicht bindend. Im Juni will das Plenum des Parlamentes über eine Resolution zu dem Bericht beraten, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten ebenfalls nicht beachtet werden muss.

»Zwar hat die konservative Fraktion versucht, den Bericht signifikant zu verwässern und die Mehrheit der nationalen Regierungen hat die Kooperation verweigert – trotzdem hat der Untersuchungsausschuss klare Rechtsbrüche in Griechenland, Spanien, Ungarn und Polen festgestellt«, resümiert Cornelia Ernst, Mitglied im Untersuchungsausschuss für Die Linke. »Pegasus« sei nur die Spitze des Eisbergs, so die Abgeordnete aus Dresden. »Klar ist: mehr Untersuchungsarbeit ist dringend nötig, um den Sumpf dieser Industrie aufzudecken und letztendlich trockenzulegen.« Von der EU-Kommission fordert Ernst einen Gesetzesvorschlag zur strikten Regulierung von Spionagesoftware.

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