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Serie »Silo«: Im Vintage-Bunker
Die Serie »Silo« erzählt vom autoritär bestimmten Leben nach einer apokalyptischen Verwüstung der Erde
Wie würde sich eine Gesellschaft organisieren, die sich durch globale Umweltzerstörungen, seien es Krieg, nukleare Katastrophen oder Klimawandel, dazu gezwungen sieht, dauerhaft in riesigen Bunkern unter der Erde zu existieren? Diesen Stehsatz der dystopischen Science-Fiction, wie er etwa auch in dem Klassiker »12 Monkeys« (1995) verhandelt wird, spielt die sehr erfolgreiche Romantrilogie »Silo« (2013–2015) von Hugh Howey durch, deren erster Teil jetzt von Apple TV als Serie verfilmt wurde. »Silo« erzählt von einer zukünftigen Welt, in der es keine Erinnerungen mehr an die Zeit vor der apokalyptischen Katastrophe gibt, die die Menschen in das Titel gebende Silo getrieben haben.
Das Silo ist ein 145 Stockwerke umfassender Bunker, in dem 10 000 Menschen leben, die nie nach draußen gehen. In der streng hierarchisch gegliederten Silo-Gesellschaft, in deren unterstem Stockwerk die Techniker hausen, die einen riesigen Generator am Laufen halten, gibt es Maisfelder, Schulen, kleine Recycling-Fabriken und je nach Tätigkeit mehr oder weniger luxuriösen Wohnraum von unten nach oben aufsteigend. Die ganz großen sozialen Unterschiede, wie sie für unsere Gesellschaft typisch sind, gibt es im Silo aber nicht. Verantwortung tragen die Bürgermeisterin, die Richter und ein Polizeichef. Wobei das gesellschaftliche System des Silos ebenso autoritär wie auch inklusiv ist.
Wer eklatant Regeln übertritt, muss das Silo aber verlassen in Richtung der vergifteten und tödlichen Außenwelt – beobachtet von allen Silobewohnern über einen großen Bildschirm in der zentralen Cafeteria. Das macht auch plötzlich zu aller Überraschung freiwillig Polizeichef Holsten (David Oyelowo), nachdem dessen Frau Allison (Rashida Jones) ebenfalls schon aus freien Stücken ein paar Jahre zuvor das Silo verlassen hatte. Beide sterben unmittelbar nach der Ankunft draußen. Oder stimmt das gar nicht? Was treibt Menschen dazu, die sichere Umgebung zu verlassen?
Zum neuen Polizeichef wird die auf der untersten Ebene lebende Technikerin Juliette (Rebecca Ferguson), die ihre neue Position nutzt, um den Mord an ihrem Geliebten George (Ferdinand Kingsley) aufzuklären, der eine für sonst niemanden zugängliche gigantische Abraumhalde unter dem Silo entdeckt hatte. War er einem Geheimnis zu nahegekommen? Juliette steht bald im Kreuzfeuer der Autoritäten und bekommt Ärger mit dem Sicherheitschef Sims (gespielt von Rapper Common) und dem Leiter der Digitalabteilung Bernard (Tim Robbins).
»Silo« erinnert in seiner Art, Geheimnisse stückweise zu lüften und sie dabei dramaturgisch mit komplexen sozialen Sujets zu verknüpfen, an die Kultserie »Lost« aus den frühen 2000er Jahren. Dabei lebt »Silo« aber vor allem von seinem konsequenten World-Building und der damit einhergehenden eigenwilligen Vintage-Ästhetik. Die wirkt wie eine Mischung aus dem proletarischen »Andor« des Star Wars-Universums und der hippen, subkulturell geprägten Welt der SF-Serie »Expanse« – als würden stylisch tätowierte Szene-Hipster durch eine von Mangelwirtschaft geprägte, mit Patina überzogene und heruntergekommene künstliche Welt laufen.
»Silo« erzählt anhand eines umfangreichen Personals von einer mitunter rigiden Klassengesellschaft, die durch ein kollektives und ideologisch vermitteltes Bedrohungs-Narrativ eines alles Leben tötenden Außen zusammengehalten wird. Das könnte natürlich auch leicht ins Platte oder Verschwörungstheoretische abrutschen, genau das tut es aber nicht. Weil sich hinter jedem Geheimnis, das gelüftet wird, ein neues auftut, mit dem Juliette wieder ganz analytisch und praktisch umgeht. Das beinhaltet familiäre Konflikte, Liebesgeschichten, Arbeitsalltag, politische Debatten, enttäuschte Hoffnungen und ambitionierte Kämpfe um ein besseres Leben. Dass die erste Staffel bestehend aus zehn Episoden am Ende mit einem verblüffenden Cliffhanger endet, ist keineswegs überraschend und macht Lust auf eine Fortsetzung.
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