Freiwillige Feuerwehr: Hauptamtlich im Ehrenamt

Wie Feuerwehren versuchen, ihre Einsatzbereitschaft zu erhalten. Ein Beispiel aus Schleswig-Holstein

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein »Maifeuer« der Freiwilligen Feuerwehr in Odderade.
Ein »Maifeuer« der Freiwilligen Feuerwehr in Odderade.

Was tun, wenn es brennt? 112 anrufen! Dann kommt die Feuerwehr. Noch kommt sie. In vielen deutschen Gemeinden wird die Arbeit der freiwilligen Retter immer schwieriger. Auch in Itzehoe. Die Stadt liegt im Südwesten Schleswig-Holsteins beiderseits der Stör. Sie hat rund 32 000 Einwohner. Im vergangenen Jahr musste die örtliche Feuerwehr zu 507 Einsätzen ausrücken.

Bisweilen sind Leib, Leben und das Gut von Mitbürgern tatsächlich in Gefahr. Die Zahl der Einsätze hat deutlich zugenommen. Oft löste aber auch nur ein Rauchmelder unbeabsichtigt aus. Oder es gilt, eine verschlossene Tür zu öffnen. Es reicht ein brennender Papierkorb, damit Dutzende Freiwillige ihren Arbeitsplatz eiligst verlassen, sich in die Montur werfen und mit all der Technik, die ihnen zur Verfügung steht, ausrücken.

Der Frust nach solchen sogenannten Bagatelleinsätzen – manchmal gibt es mehrere an einem Tag – ist groß. Auch an den Arbeitsstellen der Freiwilligen und bei deren Familienangehörigen regt sich Unmut. Im vergangenen Jahr kamen bei der Freiwilligen Wehr von Itzehoe fast 5000 Einsatzstunden zusammen, die von rund 140 Kameradinnen und Kameraden am Tage wie in der Nacht geleistet wurden.

Auf Dauer ist das nicht durchzuhalten, weshalb man nun per Ausschreibung »zum nächstmöglichen Zeitpunkt vier Beschäftigte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst (m/w/i/t) für den Einsatzdienst der neu zu bildenden Hauptamtlichen Wachabteilung der Freiwilligen Feuerwehr Itzehoe« sucht. Abgesegnet hat das Inserat die Ratsversammlung. Die »Neuen« sollen die vier derzeit bereits festangestellten Gerätewarte ergänzen. Insgesamt will sich die Kommune künftig neun Festangestellte leisten. Sie warten in der Feuerwache Geräte, kümmern sich um vorbeugenden Brandschutz, geben Hinweise in Kindergärten und Schulen und: Sie können, auch weil sie sieben Tage in der Woche 24 Stunden in Bereitschaft sind, sofort kleinere Einsätze selbstständig übernehmen. Wenn es sich vor Ort als notwendig erweist, alarmieren sie weitere Einsatzkräfte.

Anzahl der Freiwilligen nimmt zu

Das Landesbrandschutzgesetz erlaube so ein Modell, bestätigt Schleswig-Holsteins Landesbrandmeister Frank Homrich und hält die Itzehoer Idee für eine gute Lösung. Er ist zwar insgesamt zufrieden, dass die Anzahl der Freiwilligen im Lande – aktuell über 51 000 – ansteigt. Im vergangenen Jahr vermeldeten die 1323 Freiwilligen Feuerwehren des Landes sogar fast 500 Neuzugänge. Doch das dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Alarmierungen mehr werden und die Einsatzbereitschaft an manchen Orten tagsüber abnimmt. »Da sind hauptamtliche Wachabteilungen sicher eine gute Option«, sagte der oberste Brandschützer den Zeitungen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages.

Forderung nach Aufwandsentschädigung

Laut Gesetz müssen Städte ab einer Einwohnerzahl von 80 000 eine Berufsfeuerwehr haben. So gibt es hauptamtliche Feuerwehrleute in Kiel, Lübeck, Flensburg, Neumünster und Norderstedt. Alle anderen Kommunen in Schleswig-Holstein haben freiwillige Strukturen. Die nun, wie in Itzehoe, mit hauptamtlichen Beschäftigten verstärkt werden könnten.

Noch sind längst nicht alle Probleme gelöst, auch ist die Gefahr von Unmut real, wenn bezahlte neben ehrenamtlichen Feuerwehrleuten im selben Einsatz stehen. Das aber, so meint Homrich, sei einer anderen Frage untergeordnet. Er fordert eine angemessene Aufwandsentschädigung für alle Freiwilligen. »Ein Dankeschön bei der Jahreshauptversammlung reicht nicht für Menschen, die das ganze Jahr bereit sind, ihr Leben für andere einzusetzen.« Diese Forderung ruft in vielen Kommunen, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, Brandschutz zu garantieren, zumeist arges Stirnrunzeln aus. Sie sind ohnehin finanziell unter Druck, nicht nur wegen der zunehmenden Anzahl von Flüchtlingen, die ihnen zugewiesen werden.

Nicht nur deshalb ist auch der Bund in der Verantwortung. Jüngst wandten sich der Deutsche Feuerwehr- und die Landesfeuerwehrverbände an Bundeskanzler Olaf Scholz. Ihr Appell: »Helfen Sie uns, die demokratischen Grundwerte in den Feuerwehren in Deutschland zu erhalten und zu festigen!« Sie fordern, die Mittelkürzungen für das vom Bundesinnenministerium seit 2010 initiierte Programm »Zusammenhalt durch Teilhabe«, von der viele Organisationen betroffen sind, zurückzunehmen.

Man engagiere sich bei der Extremismus-Prävention, der Demokratiebildung und der demokratischen Teilhabe innerhalb und außerhalb der Feuerwehrstrukturen, schrieben die Feuerwehr-Chefs an Scholz und betonten: Gerade in ländlichen Räumen und strukturschwachen Gebieten sei die Feuerwehr oft der einzig verbliebene zivilgesellschaftliche Akteur. Man helfe nicht nur in der Not, sondern lebe ein gleichwertiges, gewaltfreies Miteinander vor und fördere so Vielfalt und Integration in das Gemeinwesen.

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