Nach Debakel für linke Parteien: Spanien wählt im Juli neu

Neues linkes Projekt gerät durch vorgezogenen Termin unter Druck

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 3 Min.
Konservative und Rechte haben ihr Ziel erreicht: Nicht nur in Barcelona verliert die Linke im Land massiv.
Konservative und Rechte haben ihr Ziel erreicht: Nicht nur in Barcelona verliert die Linke im Land massiv.

Der spanische Ministerpräsident hat nach den Kommunal- und Regionalwahlen am Sonntag Konsequenzen gezogen und die Auflösung des Parlaments und Neuwahlen für den 23. Juli angekündigt. Der Sozialdemokrat (PSOE) interpretierte die Wahlen, bei denen linke Parteien übermäßig Stimmen eingebüßt haben, als Hinweis an seine Zentralregierung. Der Wahlkampf war vor allem mit nationalen Themen geführt worden.

Beobachter bezeichneten Sánchez als »unvorhersehbar«. Der Politologe Paco Camas sprach im Fernsehen davon, dass der Schachzug »selbstmörderisch« sei. Der Ministerpräsident setze alles auf eine Karte.

Sánchez überraschte mit seinem Schritt insbesondere seine Unterstützer, allen voran die Vize-Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin Yolanda Díaz. Sie strickt noch an ihrem Projekt Sumar (Zusammenzählen) als Konkurrenz zur Podemos-Partei, deshalb wird der Wahlkampf für sie besonders schwierig. Denn auch Sánchez setzt auf eine Mobilisierung linker Wähler, um eine rechts-rechtsradikale Zentralregierung zu verhindern. »Man muss die Sachen in einer anderen Form machen«, kritisiert Díaz die Entscheidung für den nahenden Wahltermin.

Die Sozialdemokraten (PSOE) und ihr Juniorpartner Unidas Podemos (UP) haben bei den Wahlen am Wochenende ein grandioses Debakel erlebt. Das stellte auch die der Linksregierung nahestehende Online-Zeitung »Público« fest. Neben den »Autonomen Gemeinschaften«, deutschen Bundesländern ähnlich, in denen die Konservativen zum Teil mit der ultrarechten Vox regiert hatten, haben diese auch Aragón, Kantabrien, die Kanarischen und die Baleareninseln, Valencia, die Extremadura und die Rioja übernommen. In Spanien werden alle großen Städte nun von der konservativen Partido Popular (PP) regiert, nur Barcelona und Bilbao nicht.

Warnungen an PSOE und UP gab es reichlich. Die PP hatte schon die vorgezogenen Wahlen vor zwei Jahren in Madrid klar gewonnen und regierte dort wie bisher im angrenzenden Kastilien-León mit Unterstützung von Vox. Nun kann die PP auch in der wichtigen Hauptstadtregion Madrid mit absoluter Sitzmehrheit ohne Vox-Unterstützung regieren. Der bisherige PP-Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida kann in Madrid ebenfalls weitermachen, auch mit absoluter Mehrheit.

Während die Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) zugunsten von Euskal Herria Bildu (»Baskenland versammelt«) Federn lassen musste, regiert nun in Barcelona die Partei von Exilpräsident Carles Puigdemont »Gemeinsam für Katalonien« (JxCat). Dort hat Xavier Trias mit 22,5 Prozent ein Rekordergebnis für JxCat in Barcelona eingefahren.

Die Republikanische Linke Kataloniens (ERC), Bündnispartnerin von Bildu in Spanien, wurde für ihren Schmusekurs zu Sánchez abgewatscht. Statt wieder stärkste Partei in Barcelona zu werden, stürzte sie von 21 auf elf Prozent ab und wurde nur noch viertstärkste Kraft. Eigentlich müsste die sehr schwache Minderheitsregierung in Katalonien angesichts des Wahlergebnisses sofort Neuwahlen ansetzen, da sie kaum noch Unterstützer hat.

Mit seinem Sieg in Barcelona hat Trias dem UP-Unterstützer »En Comú« und dessen Führungsfigur Ada Colau den Todesstoß versetzt. Colau wurde gegen den Wahlsieger ERC vor vier Jahren nur mit Stimmen der Sozialdemokraten und der rechten Gruppe um Manuel Valls (katalanischstämmiger Ex-Premier in Frankreich) erneut Bürgermeisterin. Dieses Amt hat sie nun verloren, ihre Partei wurde nur noch drittstärkste Kraft hinter den Sozialdemokraten.

Colau, die eine Stütze für das Projekt Sumar von Vize-Ministerpräsidentin Díaz werden sollte, wird angesichts des Wahlausgangs nun eher eine Belastung für das Vorhaben, die Parteien links der Sozialisten zu vereinen. Díaz versucht sich und Sumar Mut zu machen: »Ich nehme die Herausforderung an« twitterte sie. »Von nun an arbeiten wir daran, am 23. Juli zu gewinnen.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal