Linkspartei auf dem »sächsischen Weg« zur Wahl

Linke-Landeschefs Susanne Schaper und Stefan Hartmann streben Spitzenkandidatur 2024 an

  • Interview: Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie haben sich bereit erklärt, die sächsische Linke als Spitzenduo in die Landtagswahl 2024 führen. Warum?

Schaper: Wir arbeiten seit vier Jahren als Landesvorsitzende zusammen. Dabei haben sich etliche inhaltliche Schwerpunkte herauskristallisiert, die bei uns jeweils unterschiedlich sind, aber sich gut ergänzen. Bei Stefan ist es die Industriepolitik, mein Fokus liegt auf Sozialpolitik. Wir denken, das könnte zusammen eine gute Grundlage für ein attraktives Angebot an die Wähler sein.

Interview

Susanne Schaper (45) und Stefan Hartmann (55) führen seit 2019 gemeinsam die sächsischen Linke. Sie ist Abgeordnete im Landtag, er arbeitet für die Fraktion im Bundestag. Sie bewerben sich um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl 2024. Der Landesvorstand unterstützt das. Gibt es weitere Bewerbungen, findet im Herbst ein Mitgliederentscheid statt. In die Wahlkämpfe 2014 und 2019 wurde die Partei vom heutigen Fraktionschef Rico Gebhardt geführt. Zuletzt erhielt sie 10,4 Prozent der Wählerstimmen und stellt damit 14 der 119 Landtagsabgeordneten.

Hartmann: Wir stehen als Landesvorsitzende außerdem gemeinsam für den »sächsischen Weg«, bei dem wir auf Gemeinsamkeiten in unserer Partei setzen. Er zeigt, dass es auch in schwierigen Zeiten möglich ist, einen Landesverband gut zusammenzuhalten.

Theoretisch können sich bis August weitere Bewerber melden, dann entscheidet die Basis. Ist jetzt aber das Rennen nicht so gut wie gelaufen, weil kaum jemand gegen die Landeschefs antreten wird?

Hartmann: Da habe ich schon anderes erlebt (lacht). Niemand soll sich abgeschreckt fühlen. Wenn es weitere Interessenten gibt, findet eine geheime Abstimmung statt. Das ist Demokratie.

Frau Schaper, Sie kümmern sich mit der Sozialpolitik um eines der zentralen Themen der Fraktion im Landtag, leiten dort den Sozialausschuss und in Chemnitz die Ratsfraktion. Wenn es bisher um weitere Ämter ging, haben Sie erklärt, genug Arbeit zu haben. Was ist jetzt anders?
Schaper: Im Prinzip nichts. Aber ich habe mich entschieden, erneut für den Landtag zu kandidieren, und gern auch als Spitzenkandidatin. Ich bin sicher, das gut ausfüllen zu können. Das bedeutet, dass Prioritäten anders gesetzt und Aufgaben neu sortiert werden müssen, etwa beim Fraktionsvorsitz in Chemnitz.

Herr Hartmann, Sie sind außerhalb der eigenen Partei eher wenig bekannt. Ist das nicht ein Manko?

Hartmann: Leider haben wir nur sehr wenige Landespolitiker oberhalb der Wahrnehmungsschwelle. In der derzeitigen Lage unserer Partei ist es aber von strategischer Bedeutung, dass wir gemeinsam und möglichst geschlossen in den Wahlkampf gehen. Das lässt sich nicht beliebig übertragen. Ein Wahlkampf wird nicht von zwei, drei Leuten gewonnen. Da müssen viele gemeinsam kämpfen. Wir beide haben gezeigt, dass wir Gemeinsamkeit schaffen können.

Die sächsische Linke hat bundesweit bekannte Politiker hervorgebracht, die etwa in Berlin auch Regierungserfahrung gesammelt haben. Haben Sie bei diesen angefragt?

Hartmann: Wir haben Katja Kipping und Sebastian Scheel selbstverständlich in Betracht gezogen. Aber die Aufgaben in anderen Bundesländern sind genauso dringend wie in Sachsen. Sebastian ist Mitglied im Abgeordnetenhaus, und Katja hat auch andere Pläne, auf die wir uns freuen können.

Mit welchen konkreten Themen wollen Sie um Stimmen werben?

Schaper: Im Sozialbereich gibt es sehr viele Baustellen, die Pflegereform etwa oder die Frage, was aus den Krankenhäusern wird. Das beschäftigt die Menschen in einem Land, dessen Bevölkerung immer älter wird. Wir als Linke haben da gute, authentische Antworten.

Hartmann: Das gilt auch für den sozialökologischen Umbau. Bei vielen Menschen weckt das derzeit große Befürchtungen. Die wollen wir adressieren. Ein anderes Thema: Strukturwandel. In Sachsen haben zwei Braunkohlereviere lange für sichere Energie, Arbeitsplätze und Identität gesorgt. Wir wollen darüber reden, wie es dort weitergeht, wie künftig klimafreundliche Energie produziert wird und welches staatliche Handeln dafür notwendig ist.

Sie betonen, Ihre Bewerbung sei ein Zeichen für Gemeinsamkeit in schweren Zeiten. Was erwarten Sie von der Partei mit Blick auf das Wahljahr?

Schaper: Wir können unsere politischen Ansätze und Vorschläge nur gut erklären, wenn wir gemeinsam agieren und nicht jeder sein eigenes Ding macht. Unsere Erfahrung ist: Große Teile von Basis und Wählerschaft sehen das ebenso und wollen nicht, dass wir uns nur mit uns selbst befassen.

Wie groß ist Ihre Sorge, dass Sie gegen eine Partei antreten müssen, die jetzige Genossen von Ihnen womöglich gründen?

Schaper: Wir müssen endlich wieder zeigen, dass wir alle zusammen als Team weiter in der Lage sind, denen eine Stimme zu geben, für die wir da sind.

Hartmann: Geschlossenheit ist ja kein Wert an sich. Sie muss inhaltlich begründet sein. In Sachsen sind wir da gut aufgestellt. Wir kümmern uns um Fragen wie ordentliche Arbeit, bezahlbare Mieten, gleichwertige Lebensverhältnisse in den Regionen. Das ist es, was die Leute bewegt.

Bei der Landtagswahl 2019 drehte sich am Ende alles um die Frage, ob CDU oder AfD stärkste Kraft werden. Anderen Parteien drangen mit ihren Themen kaum noch durch. Wie verhindern Sie, dass es 2024 ebenso läuft?

Hartmann: Die Zuspitzung wird von Medien und den Umfragen befeuert. Das haben wir nur bedingt selbst in der Hand. Wir müssen aber klar machen, dass gerade in Sachsen die Wahl der CDU zur Verhinderung der AfD bedeutet, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. Es zeigt sich ja, in welche Richtung sich Ministerpräsident Michael Kretschmer gerade bewegt bei Themen wie dem Krieg in der Ukraine oder der Zuwanderung und wie er stückweise Positionen der AfD übernimmt. Wer aber der AfD entgegenkommt, betreibt deren Geschäft.

Wird die sächsische Linke im Wahlkampf Angebote an andere Parteien unterbreiten?

Hartmann: Unser gemeinsames Prinzip lautet: prinzipientreu und pragmatisch. Falls es in Sachsen nicht mehr für eine Dreierkoalition reichen sollte, wäre Verantwortung gefragt. Aber wir sollten das Fell des Bären nicht verteilen, bevor er erlegt ist. Zunächst ist wichtig, dass unser ohne Zweifel gutes inhaltliches Angebot in einer maximal guten Präsenz im nächsten Landtag mündet.

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