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Ende der Hängepartien nicht absehbar

Zivilgesellschaftliche Initiativen drängen, das Demokratiefördergesetz endlich zu beschließen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Robert Kusche stellt in der Bundespressekonferenz die Jahresstatistik zu rechter und rassistischer Gewalt vor.
Robert Kusche stellt in der Bundespressekonferenz die Jahresstatistik zu rechter und rassistischer Gewalt vor.

Als 2015 erstmals ein Bundesprogramm »Demokratie leben« aufgelegt wurde, öffnete das vielen Menschen die Augen. Es ermöglichte die Einrichtung von Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt zum ersten Mal auch in westdeutschen Bundesländern. »Damit wurde Klarheit geschaffen«, sagt Robert Kusche, der das sächsische Opferberatungsnetzwerk RAA und den Bundesverband der Beratungsstellen VBRG leitet. Zuvor habe eine breite Öffentlichkeit rechtsextreme Gewalt nur als ostdeutsches Phänomen wahrgenommen, was ein Trugschluss sei – »eine anmaßende Projektion«, wie Kusche formuliert.

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Kürzlich legte der VBRG eine Bilanz für 2022 vor. Demnach gab es in den zehn Bundesländern, in denen er vertreten ist, 2093 Angriffe mit fast 2900 Betroffenen.

Das Bundesprogramm und seine Vorgänger waren und sind wichtig für die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Initiativen, die gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt eintreten. Es stellt Geld zur Verfügung, mit dem unter anderem Mobile und Opferberatungsstellen sowie Aussteigerprogramme finanziert werden können. Ein Problem hat indes keines der Programme bisher gelöst: den Umstand, dass die Initiativen und Vereine alle paar Jahre und spätestens zum Ende einer Wahlperiode eine Hängepartie erleben, weil unklar ist, ob sie weiter Geld erhalten.

»Die Förderung ist sehr konjunkturabhängig«, sagte Kusche bei der Jahreskonferenz des Demokratiezentrums Sachsen diese Woche in Leipzig. Die Folge: »Wir müssen immer wieder ausgezeichnete Fachleute entlassen, weil nicht klar ist, ob es weitergeht.«

Die Koalition im Bund will das ändern: mit dem »Demokratiefördergesetz«, das Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) Ende 2022 vorgelegt haben. Es verspricht einen »Zuwachs an Planungssicherheit« für die Zivilgesellschaft. Durch längerfristige Förderung sollen »bereits bewährte Strukturen« erhalten und weiterentwickelt werden können. Mitte März gab es die erste Lesung im Bundestag, kurz darauf eine öffentliche Anhörung. Wann das Gesetz beschlossen werden könnte, ist aber nicht absehbar. Es gibt Kritik von vielen Seiten.

Die zivilgesellschaftlichen Vereine etwa fordern bislang vergebens, bei der Ausgestaltung der Richtlinien beteiligt zu werden, in denen die Ministerien später konkrete Modalitäten der Förderung regeln. »Die Träger sollten mitreden können«, sagte Kusche. »Wir wollen kein Demokratieprogramm ohne Beteiligung.« Zudem fordern sie eine untere »Haltelinie« für die im Bundesetat zu verankernde Fördersumme. Sie verweisen auf den angekündigten Sparkurs des Bundesfinanzministers. Eine gesetzliche Basis für die Förderung der demokratischen Zivilgesellschaft gibt es bisher nicht.

CDU/CSU und AfD im Bundestag wiederum stellen das Gesetz grundsätzlich infrage. Aus der FDP gibt es Forderungen, den Trägern vor einer finanziellen Unterstützung ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzuverlangen. Damit würde die umstrittene »Extremismusklausel« wieder eingeführt. Bei Initiativen stößt das auf Ablehnung. Der Bundesverband Mobile Beratung merkt an, dass eine Arbeit im Sinne des Grundgesetzes seit 2015 Voraussetzung für eine Förderung sei. Zudem sei es »Teil des Selbstverständnisses der Träger«.

Ob und wann die Konflikte gelöst werden können, ist offen. Ekin Deligöz, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, erklärte in Leipzig, man sei »sehr ehrgeizig und entschlossen«. Die Arbeit am Gesetz »könnten wir eigentlich abschließen und werden das auch«. Einen konkreten Zeitplan nannte sie freilich nicht. Deligöz betonte, das Gesetz sei weit mehr als eine Garantieerklärung für verlässlichere Förderung: »Es ist ein Bekenntnis von Regierung und Parlament, dass Demokratie nicht vom Himmel fällt, sondern gefördert werden muss.«

Geld für diesen Zweck bereitzustellen sei wichtig, betonte auch Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD). Sie verwies auf ein entsprechendes Förderprogramm des Freistaats namens »Weltoffenes Sachsen«, dessen Volumen seit 2019 von 4,6 auf aktuell 9,5 Millionen Euro angehoben wurde. Allerdings, fügte Köpping an, sei Geld nicht alles. Nach der Kommunalwahl, die in Sachsen am 9. Juni 2024 stattfindet, drohten in vielen Stadt- und Gemeinderäten sowie Kreistagen rechte Mehrheiten, die Projekte der Demokratiearbeit umgehend abwickeln dürften. Die Gefahr, sagt Köpping, sei, »dass wir Gelder beschlossen haben und die Umsetzung in den Kommunen verhindert wird«.

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