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Linksparteien in Spanien sind zur Zusammenarbeit verdammt

Spaniens linke Formationen Sumar und Podemos arbeiten an einer gemeinsamen Liste

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 5 Min.
Yolanda Díaz (Mitte) will mit der neuen linken Plattform Sumar die spanische Parteienlandschaft aufmischen.
Yolanda Díaz (Mitte) will mit der neuen linken Plattform Sumar die spanische Parteienlandschaft aufmischen.

Das neue spanische Linksbündnis »Sumar« (Summieren) wollte eigentlich nur bis Mittwoch über eine Koalition für die vorgezogenen Neuwahlen am 23. Juli verhandeln. Die zentrale Frage ist, ob sich die Linkspartei Podemos (Wir können es) doch noch beteiligt. Das wäre dann praktisch eine erweiterte Neuauflage der Linkskoalition Unidas Podemos (Gemeinsam können wir es) unter neuen Vorzeichen. Denn die Sumar-Gründerin Yolanda Díaz ist seit dem Abgang des Podemos-Gründers Pablo Iglesias schon UP-Chefin.

Noch steht das Bündnis nicht. Alle Beteiligten gehen aber davon aus, dass es noch vor dem Ende der Einschreibefrist in der Nacht zum Samstag eine Einigung gibt. Der Sumar-Sprecher Ernest Urtasun versucht derweil, den Druck zu erhöhen. Am Mittwoch hatte man sich schon mit kleineren Regionalparteien wie der CHA aus Aragon geeinigt. »Wir werden nicht bis zur letzten Minute warten«, sagte Urtasun, gerade erst von Díaz ernannt. »Die Gespräche schreiten in einem guten Rhythmus voran«, fügte er an.

Bis zu 15 Parteien sollen eilig zusammengeführt werden. Díaz wollte eigentlich Podemos heraushalten, um ihren Führungsanspruch im Sumar-Projekt zu zementieren, das auf die bisherige Vize-Ministerpräsidentin und Arbeitsministerin zugeschnitten ist. Sie grenzte Podemos-Führungsfrauen seit der Vorstellung vor einem Jahr systematisch aus der »feministischen« Koalition aus. In Sumar soll ihre Vereinte Linke (IU) wieder den Ton angeben und nicht Podemos wie in UP. War die IU vor wenigen Jahren fast in der Versenkung verschwunden, soll sie – mit Díaz sozialdemokratisch gewendet – wieder die Führung links der Sozialdemokraten (PSOE) übernehmen.

Eine Umbenennung in Sumar hält die »Kommunistin«, Mitglied der KP Spaniens, die sich selbst aber als sozialdemokratisch bezeichnet, auch für nötig, da UP in der Regierungskoalition mit der PSOE von Ministerpräsident Pedro Sánchez blass blieb. Daran hatte Díaz einen erheblichen Anteil, die den Positionen der PSOE oft nähersteht als denen von Podemos. Das zeigte sich zum Beispiel am Streit über Waffenlieferungen in die Ukraine. Die lehnt Podemos ab, Díaz befürwortet sie. Ihre Arbeitsmarktreform hatte sie mit Unternehmern und Gewerkschaften abgestimmt. Beklatscht wurde sie vor allem von Unternehmerseite.

Podemos, die Díaz erst groß gemacht hatte, drängte stets auf eine »zentrale Rolle« in Sumar für eine Beteiligung an dem Projekt und wollte demokratische Urwahlen zur Bestimmung der Spitzenkandidatin. Sumar, noch ohne Struktur, trat bei den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai nicht an. Díaz wollte noch die Zeit bis zum Jahresende nutzen, um Strukturen zu schaffen. Auch deshalb schluckte UP in der Regierung Kröte um Kröte und verprellte weiter Wähler. Vor allem das von Yolanda Díaz gehätschelte Sumar-Projekt wurde durch das Wahltermin-Manöver des Ministerpräsidenten Pedro Sánchez auf dem falschen Fuß erwischt. Er will damit einen potenziell neuen Konkurrenten auf der linken Seite schwächen. Seit Jahren versucht die PSOE, die 2014 gegründete Podemos wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden zu lassen. Sumar soll gar nicht erst durchstarten.

Der schnelle Wahltermin hat den Druck zu einer Einigung genauso erhöht wie die vergangenen Wahlergebnisse von Podemos und den Parteien, deren Teilnahme im Projekt Sumar längst bekannt war. Nun führt für Sumar und Podemos kein Weg an einem Bündnis vorbei, wobei die Konflikte unaufgearbeitet in die neue Formation getragen werden. Regionalparteien wie En Comú (Gemeinsam) in Katalonien, Compromís (Verpflichtung) in Valencia oder Más Madrid (Mehr Madrid), die von Díaz von Beginn an eingebunden worden waren, mussten am 28. Mai entweder Niederlagen einstecken oder konnten sich wie Más Madrid nur behaupten. Dahinter steht der ehemalige Podemos-Mitbegründer Iñigo Errejón.

Für Podemos waren die Ergebnisse fatal. Ihr verzeihen radikalere Wähler nicht, dass sie in der Regierungskoalition mit der Sánchez-PSOE kaum etwas durchsetzen konnte. Podemos scheiterte bisweilen an der Fünf-Prozent-Hürde und flog nun auch aus Regionalparlamenten wie in Madrid und Valencia hinaus. Dass enttäuschte Podemos-Wähler nun ausgerechnet Sumar wählen, darf bezweifelt werden.

Die Wählerwanderung zeigt, dass Podemos-Stimmen kaum auf Listen übergingen, die sich klar für Sumar positioniert hatten. Viele Podemos-Wähler blieben den Wahlen fern. Más Madrid konnte nur 500 Stimmen hinzugewinnen, CHA kam gerade noch über die Fünf-Prozent-Hürde, Compromís verlor sogar 80 000 Stimmen. En Comú wurde abgewatscht und ihr Aushängeschild Ada Colau wird nicht erneut Bürgermeisterin Barcelonas. Bisweilen traten, wie in Huesca (Aragonien) diverse Formationen links der PSOE an, schwächten sich gegenseitig und stärkten die Rechte weiter. Keine der vier davon zog in den Stadtrat ein, obwohl sie insgesamt auf fast 20 Prozent kamen. Dort kann nun die ultrakonservative Volkspartei (PP) wie in Madrid und Andalusien mit absoluter Mehrheit an Sitzen regieren. In anderen Regionen und Städten ist die PP auf die Unterstützung ihrer rechtsradikalen Abspaltung Vox angewiesen.

Die zerstrittene Linke muss sich zusammenraufen, um ein akzeptables Ergebnis zu erreichen. Das weiß nun auch Díaz. Die steht, wie von ihr erhofft, einer geschwächten Podemos gegenüber. Podemos hat frühere Forderungen kassiert und erkennt nun Díaz’ Führungsanspruch an. »Wir wollen so schnell wie möglich eine Einigung erzielen«, erklärte Podemos-Chefin Ione Belarra. Man arbeite wie immer »für die Einheit«, sagte sie. Podemos kämpft auf der einen Seite ums Überleben. Auf der anderen Seite geht es der Partei darum, auf nationaler Ebene vielleicht doch noch zu verhindern, dass es wie mehrfach auf regionaler Ebene zu einer rechten-ultrarechten Regierung kommt. In den Verhandlungen geht es vor allem noch um Personalfragen. Der frühere Podemos-Chef Pablo Iglesias, der nach seinem unrühmlichen Abgang weiterhin Strippen zieht, hatte zum Beispiel ein »Veto« gegen seine Lebensgefährtin und Sozialministerin Irene Montero kritisiert. Bisher will Yolanda Díaz ihre Kabinettskollegin Montero nicht bei Sumar dabei haben.

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