Konspirationistische Wärme

Die Corona-Politik von links aufzuarbeiten, bleibt schwierig

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Kürzlich wurde die Hauptfunktion der Corona-Warnapp ausgeschaltet und kaum jemand hat es wahrgenommen. Dabei bestimmte die Sinnhaftigkeit dieser technischen Einrichtung noch vor zwei Jahren über Wochen die öffentliche Diskussion. Doch im Frühsommer 2023 ist die Rückkehr zur Normalität bei der Eventkultur ebenso angesagt wie beim Tourismus. Die Jahre der Pandemie sollen möglichst schnell vergessen werden.

Es gibt aber unterschiedliche Szenen, die die Pandemiezeit aufarbeiten wollen. So lud das Bündnis »Mut zu Zwischentönen« Anfang Mai die Publizistin und Aktivistin Elisabeth Voss zu einer Diskussion unter der Fragestellung »Nach Corona – Spaltung überwinden« ein. »Nach drei Jahren wurden die staatlichen Corona-Maßnahmen beendet, aber was in dieser Zeit geschehen ist, wirkt fort«, heißt es in der Einladung.

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Auch aus der Perspektive eines aufständischen Anarchismus wurde in Berlin am symbolträchtigen 2. Juni zu einer Debatte über das »Konspirationistische Manifest« – eine Art Nachfolgeprojekt des ehemaligen Autor*innenkollektivs Unsichtbares Komitee – geladen, um die staatliche Pandemiepolitk und die Reaktion großer Teile der radikalen Linken einer Grundsatzkritik zu unterziehen. Das starke Interesse, das auch die Organisator*innen überraschte, macht deutlich, dass in der gesellschaftlichen Linken durchaus das Bedürfnis besteht, über die Corona-Jahre und die Konsequenzen zu diskutieren.

Aber leider dominierte weitgehend die radikale Geste, wenn auf der Veranstaltung immer wieder der Bruch mit der radikalen Linken beschworen wurde, die in der Pandemiezeit angeblich nur die Politik der Staatsapparate nachvollzogen habe. Abgesehen von der Frage, wer denn diese radikale Linke sein soll, mit der gebrochen werde, wurden hier Trennungslinien gezogen, wo eigentlich Fragen und Zweifel angebracht wären. Die Angst vulnerabler Personen vor dem Virus war schließlich keine Erfindung der Staatsapparate.

Das hat auf der Veranstaltung zwar auch niemand behauptet. Aber wieso wird diese Ebene weitgehend ausgeblendet? Zudem gab es auch radikale Linke, die dem Lockdown einiges abgewinnen konnten, weil damit die kapitalistische Normalität für einige Zeit unterbrochen wurde – was ja auch das Ziel aufständischer Anarchist*innen war und ist. Hier wäre mehr eigene Verunsicherung angebracht. Viel diskutiert wurde über einen Text, der mit »Verschwörung der Feuertonnen« überschrieben ist.

Feuertonnen sind eigentlich eine passende Symbolik, schließlich tauchen sie bei Streiks genauso auf wie bei Waldbesetzungen und sie waren ein wichtiges Utensil der Gelbwesten-Bewegung in Frankreich. Besonders in den kälteren Monaten spendet die Feuertonne auch die notwendige Wärme für Menschen, die sich für ihre Interessen verschwören, also konspirieren. Doch an den Feuertonnen wärmen sich nicht nur Menschen die Hände, die eine emanzipatorische Staatskritik in Theorie und Praxis vorantreiben wollen. Schließlich hat auch der rechte Antaios-Verlag von Götz Kubitschek das Konspirationistische Manifest im Programm. Über die Gründe dafür wäre zu reden.

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