Blinken in Peking: Wenn Xi in die Halle des Volkes lädt

Mit Antony Blinken reist zum ersten Mal seit fünf Jahren ein US-Außenminister nach Peking

  • Fabian Kretschmer, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Ende traf er ihn doch noch: US-Außenminister Antony Blinken wurde am Montagnachmittag von Chinas Staatschef Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes empfangen. Die choreografierte Optik des Treffens ließ keinen Zweifel daran, wer hier das Sagen hat: Herrscher Xi nahm am mittigen Ende des riesigen Tisches Platz, zu seinen Seiten platzierte er die chinesischen und US-amerikanischen Außenpolitiker.

Doch allein, dass das Treffen überhaupt zustande kam, ist als positives Zeichen zu werten. Denn aus protokollarischen Gründen wäre es eigentlich nicht angebracht, dass Chinas Staatschef einen Außenminister persönlich willkommen heißt. Aber Konventionen zählen wenig angesichts der angespannten Lage zwischen den zwei Weltmächten, die gefühlt nur wenige Schritte vor einer militärischen Auseinandersetzung zu stehen scheinen.

»Ich hoffe, dass Außenminister Blinken durch seinen Besuch einen positiven Beitrag zur Stabilisierung der Beziehungen zwischen China und den USA leisten kann«, sagte Xi in einer ersten, eher vage formulierten Stellungnahme. Zudem sprach der 70-Jährige von »Fortschritten in bestimmten Fragen«, ohne diese jedoch konkret zu benennen. Seine Kernbotschaft, auf den Punkt gebracht, lautete: Die zwei Weltmächte müssten unbedingt miteinander auskommen, daran führe kein Weg vorbei. Das sei man allein schon der internationalen Staatengemeinschaft schuldig.

Wie ernst die Lage ist, wurde wenige Stunden zuvor beim morgendlichen Gespräch zwischen Blinken und Wang Yi deutlich: Der führende Außenpolitiker Chinas machte dabei seinem Ruf als diplomatischer »Wolfskrieger« erneut alle Ehre. Seinem Gast aus Washington hielt der 69-jährige Chinese eine Standpauke, die es in sich hatte: Die USA verfolgten eine »falsche Politik«, seien überhaupt die »eigentliche Ursache« für den historischen Tiefpunkt in den bilateralen Beziehungen und müssten nun »tief reflektieren«, um eine »strategische Überraschung« zu verhindern.

Solch eine Rhetorik ist brandgefährlich, weil sie keinerlei Spielraum lässt für einen diplomatischen Konsens zwischen den zwei Seiten: Sämtliche Schuld an allen Fehlern liegt gemäß der chinesischen Sichtweise ausschließlich bei den US-Amerikanern, alle Anschuldigungen aus Washington hingegen gelten bloß als Lügen und Schmierereien. »Es ist notwendig, sich zwischen Dialog oder Konfrontation, Kooperation oder Konflikt zu entscheiden«, sagte Wang und ließ dies wie eine Warnung klingen. Gespräche auf Augenhöhe sehen anders aus.

Doch das US-Außenministerium ließ sich zu keiner Emotionalität hinreißen. In Blinkens Stellungnahme schien Washington sichtlich darum bemüht, die frostige Atmosphäre des Gesprächs nicht allzu sehr zu betonen. Demnach habe es sich um »offene und produktive Diskussionen« gehandelt. Zudem sprach Blinken davon, wie wichtig offene Kommunikationskanäle seien, um zu erreichen, dass »der Wettbewerb nicht in Konflikt« ausarte.

Doch zugleich machte der erste China-Besuch eines US-Außenministers seit fünf Jahren auch deutlich, dass die Fronten bei den zentralen Streitthemen zwischen den Weltmächten extrem verhärtet sind. Das gilt insbesondere in der Taiwan-Frage, die den Zündstoff für einen potenziellen Weltkrieg bereithält. Dabei handelt es sich laut Wang Yi um eine »innere Angelegenheit« Chinas, man dulde zudem »keinen Raum für Kompromisse«.

Solche Worte dürften insbesondere auch in den Chefetagen internationaler Unternehmen ernst genommen werden: Die Volksrepublik China hält nicht nur eisern an ihrem territorialen Machtanspruch gegenüber der demokratisch regierten Insel fest, sondern will ihn notfalls auch mit militärischen Mitteln durchsetzen. Im Klartext bedeutet dies: Jede Investition in den chinesischen Markt erfolgt unter immensen geopolitischen Risiken.

Immerhin dürften die derzeitigen Gespräche dafür sorgen, dass die anhaltende Eskalation zwischen Peking und Washington zumindest vorübergehend pausiert. Denn in den kommenden Wochen und Monaten wird wohl der ein oder andere Kommunikationskanal wieder geöffnet werden. Sogar ein bilaterales Gipfeltreffen zwischen Präsident Joe Biden und Xi könnte angesetzt werden.

Am späten Abend schließlich trat Blinken in der amerikanischen Botschaft in Peking vor die internationale Presse. Während sich die chinesische Parteiführung hinter meterhohen Mauern und einem ausgeklügelten Zensurapparat versteckt, stellte sich der US-Außenminister ausführlich den kritischen Fragen der unabhängigen Journalisten.

Dabei wollte Blinken auch mit einigen Missverständnissen aufräumen: Man wolle keine wirtschaftliche »Entkoppelung« von China, sondern lediglich eine »Risikominderung«. Auch unterstütze man nicht die Unabhängigkeit Taiwans, lehne allerdings jegliche einseitige Änderung des Status quo ab. »Unsere Gespräche waren in Teilen konstruktiv«, sagte Blinken gegen Ende der ausführlichen Pressekonferenz: »Und in anderen Bereichen haben wir noch einige Arbeit vor uns.«

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