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Kriminalisierter Pazifismus in Berlin

Berliner Verfassungsschutz bezeichnet Aktionen von Putin-Kritikern als »linksextremistisch«

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Heftige Kritik an dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Berliner Verfassungsschutzbericht: »Der Verfassungsschutz beobachtet ausgerechnet eine der wenigen Organisationen aus der Friedensbewegung, die sich von Beginn der russischen Invasion an gegen den verbrecherischen Angriffskrieg stellt«, sagt Jan Hansen zu »nd«.

Hansen engagiert sich bei der Antimilitaristischen Aktion Berlin (Amab). Die Gruppe junger Antimilitarist*innen und Pazifist*innen hatte 2022 wenige Tage nach dem russischen Einmarsch in Russland unter dem Motto »Gaz-Off« eine Protestaktion vor der Gazprom-Dependance in Kreuzberg organisiert. Sie forderten die Schließung der damals noch funktionierenden Erdgas-Pipeline Nordstream 1 und den Stopp aller russischen Gaslieferungen als Alternative zu Waffenlieferungen.

»Statt weiter aufzurüsten, müssen wir die Geldströme nach Russland stoppen, weil damit der Krieg in der Ukraine finanziert wird«, hieß es seinerzeit im Amab-Aufruf. Stattdessen sollen erneuerbare Energien ausgebaut und die Wirtschaft unabhängig von Öl und Gas werden. Töne, die man auch von der Bundesregierung hört. Trotzdem ist die Protestaktion im aktuellen Verfassungsschutzbericht unter der Rubrik »Linksextremismus« aufgelistet.

»Vereinzelt kam es zu Protestaktionen vor und zu Sachbeschädigungen an russischen Einrichtungen beziehungsweise Unternehmen. So wurde im Februar die Konzernzentrale von Gazprom wiederholt angegriffen«, heißt es im Bericht. Die Amab selbst wird zwar nicht erwähnt, der Zusammenhang zu ihren Aktionen ist aber mit geringem Aufwand recherchierbar.

Auch das könnte indirekte und schwer kalkulierbare Folgen für die Gruppe haben, inklusive der Kündigung von Konten. Jan Hansen vermutet, dass die Amab in das Blickfeld der Dienste geriet, weil sie die Kappung der Gasförderung als Alternative zu einer militaristischen Politik beschrieben hat.

Schließlich wird vom Verfassungsschutz konstatiert, dass die Reaktionen der linken Szene auf den russischen Einmarsch in die Ukraine unterschiedlich ausgefallen seien. »Auf der einen Seite wurde Russland als Aggressor gebrandmarkt. Auf der anderen Seite wurden potenzielle Reaktionen der Nato sowie Waffenlieferungen an die Ukraine und eine geplante Aufrüstung der Bundeswehr scharf kritisiert«, heißt es dort.

Dass offenbar auch pazifistische Parolen verfassungsschutzrelevant sind, kritisiert Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. »Offensichtlich wird das Feindbild Linksextremismus vom Verfassungsschutz weiter gepflegt. Leider ist das kein Einzelfall. Das kommt dabei heraus, wenn man einem unkontrollierbaren Geheimdienst die Deutungshoheit über die Frage gibt, wer Demokrat ist und wer nicht«, sagt Schrader zu »nd«. Er kündigt an, den Fall im Verfassungsschutzausschuss des Abgeordnetenhauses nach der Sommerpause zu thematisieren.

Auch June Tomiak, die Sprecherin für Verfassungsschutz-Fragen in der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, erklärt gegenüber »nd«, dass sie sich dem Eintrag parlamentarisch widmen werde. »Kreativen Protest in einer losen Aufzählung mit Angriffen und Sachbeschädigungen an russischen Einrichtungen und Unternehmen zu nennen ist mehr als fragwürdig«, sagt Tomiak.

Niklas Schrader sieht dabei die Gefahr, dass linke politische Aktivist*innen durch die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht diskreditiert werden. Das betreffe die lediglich indirekt benannte Amab. Vor allem aber auch die namentlich erwähnten Akteur*innen. So wird im Verfassungsschutzbericht auch aufgeführt, dass die Interventionistische Linke (IL) auf ihrer Homepage »den Aufbau einer lebendigen und internationalistischen Bewegung gegen Militarismus und Krieg« gefordert habe und feststelle, dass der Aufrüstungstaumel »von den dringend notwendigen Kämpfen gegen Klimakrise, Rassismus, Pflegenotstand oder Mietenwahnsinn ablenkt«.

Wenn der Verfassungsschutz dann durchaus realistisch feststellt, dass »aus solchen Ankündigungen kaum tatsächliche Aktivitäten« resultieren, wird deutlich, dass hier schon mal präventiv Antimilitarist*innen und Pazifist*innen beobachtet werden.

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