»Zahlen muss ja ohnehin der Mieter!«

Der Vorsitzende des Berliner Mietervereins e.V., Sebastian Bartel, erklärt, was mit dem Heizungsgesetz auf Mieterinnen und Mieter zukommt

Die Ampel-Koalition wollte das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Schnellverfahren durch den Bundestag bringen. Gab es Punkte, die aus ihrer Sicht nicht zu Genüge verhandelt wurden?

Der Prozess lief vergleichsweise zügig – der erste Aufschlag wurde erst vor einem Jahr gemacht. Wir kritisieren aber etwas anderes: Der Entwurf hätte von Anfang an gründlicher durchdacht werden müssen, sowohl bei der Verzahnung mit der Nah- und Fernwärmeplanung als auch beim Mieterschutz. Auf den letzten Metern hat man das jetzt relativ gut eingebaut, und insofern war die Eile gegen Ende vielleicht sogar förderlich. Allerdings soll damit kein dickes Lob verbunden sein. Denn im Vorfeld wurde trotz geplanter Mietrechtsänderung nicht einmal der Rechtsausschuss des Bundestages angehört – das geht so nicht.

Bei der Ausschussanhörung am Montag lobten Sie die letzten Anpassungen am Gesetzesentwurf, bemängelten aber weiterhin große Defizite im Mieterschutz. Was sind diesbezüglich die größten Versäumnisse der Koalition?

Eines der Hauptprobleme ist aus Sicht des Mietervereins, dass Energiekosten, die nach einer Heizungsumstellung einen bestimmten Durchschnittswert übersteigen, allein von Mietenden getragen werden müssen. Das ist besonders bedauerlich, da im ursprünglichen Entwurf vorgesehen war, dass teure Energieträger wie Wasserstoff oder Biogas nicht unbegrenzt umgelegt werden dürfen. Jetzt werden viele Vermieter*innen keinen ausreichenden Anreiz verspüren, die Energiekosten im Blick zu behalten. Zahlen muss ja ohnehin der Mieter! Ärgerlich ist auch, dass Vermieter*innen nicht beanspruchte Fördermittel nicht von der Modernisierungsumlage abziehen müssen.

Auf welche Kosten müssen sich Mieter*innen jetzt gefasst machen? Wie können sie sich vor einer Überbelastung am besten schützen?

Wenn es nur um den Einbau einer Heizung geht, wird es möglicherweise weniger teuer als gedacht, für eine Durchschnittswohnung kommt vielleicht nur eine Erhöhung von rund 30 Euro im Monat heraus. Im besten Fall kann das durch eingesparte Heizenergie kompensiert werden. Wir befürchten aber, dass viele Vermieter bei dieser Gelegenheit des Heizungsaustauschs zusätzliche Modernisierungsmaßnahmen durchführen, die dann letztlich doch wieder zu einer enormen Kostenbelastung bis zu 2 bis 3 Euro je Quadratmeter im Monat führen. Bei weitem nicht immer beruhten solche Mieterhöhungen auf ökonomisch durchdachten Maßnahmen. Manch ein Vermieter wird die Heizung innerhalb weniger Jahre auch zweimal austauschen, wenn er sich verkalkuliert hat. Am besten sollte man jede Modernisierungsankündigung durch Experten prüfen lassen, erst recht die sich anschließende Mieterhöhung.

Wird es möglich sein, Mieter*innen den Vertrag zu kündigen, falls sie die Mehrbelastung durch die Heizungsumlage nicht stemmen können?

Theoretisch ja, denn die Umlage wird nicht per Vertrag besiegelt und setzt nicht mal eine Zustimmung der Mietpartei voraus, sondern tritt quasi automatisch ein, nachdem das Erhöhungsschreiben im Briefkasten liegt. Manchmal fällt der Versuch auf fruchtbaren Boden, mit dem Vermieter einfach eine Reduzierung der Umlage zu verhandeln. Noch wichtiger ist der Härtegrund, den der Gesetzgeber jetzt erfreulicherweise auch bei Heizungsausbauten zulassen will: Wer aufgrund der Umlage mehr als 30 Prozent seines Haushaltseinkommens für die Miete aufbringen muss, sollte prüfen, ob ein finanzieller Härtegrund vorliegt. Das ist immer nur im Einzelfall zu beurteilen. Wichtig ist, die Frist einzuhalten. Der Härtegrund muss spätestens einen Monat nach Erhalt einer Modernisierungsankündigung erklärt werden – das wissen viele Mieter*innen nicht und versäumen so die viel zu kurze Frist.

Wohin können sich Mieter*innen bei Fragen und akuten Problemen zu den Konsequenzen des Heizungsgesetz wenden?

Ob eine Heizungsanlage sinnvoll ist, weiß oft die Energieberatung der Verbraucherzentrale. Auch der Berliner Mieterverein kann übrigens mit einer Energieberatung zur Heizungsabrechnung aufwarten. Die Mitgliedschaft in einem Mieterverein ist dringend zu empfehlen, möglichst weit vor Beginn etwaiger Maßnahmen, damit im Streitfall auch die im Beitrag enthaltene Rechtsschutzversicherung greift. Denn Probleme treten schließlich nicht erst auf, wenn es um die Frage der Umlage auf Mieter*innen geht, sondern schon dann, wenn die Bauarbeiter zum Heizungsumbau kommen: solche Arbeiten sind mit Lärm, Staub und Bauschutt verbunden. Diese typischen Begleiterscheinungen berechtigen ja meist zur Mietminderung.

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