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Festnahmen in den USA: Autoritäre Diskurseinschränkung
Trump will durch Festnahmen Israel-Kritiker zum Schweigen bringen. Hierzulande gibt es längst ähnliche Tendenzen, die sich unter Merz zuspitzen werden
Auf offener Straße wird eine türkische Doktorandin der Bostoner Tufts Universität festgenommen. Ihr gültiges Visum soll entzogen werden, die Begründung des US-Departments für Homeland Security: Rumeysa Öztürk sei in Pro-Hamas-Aktivismus involviert gewesen. Laut ihres Umfelds war die Studentin aber nicht einmal aktiv Teil der pro-palästinensischen Bewegung. Einzig bekannt ist ein Meinungstext, den sie vor etwa einem Jahr in einer Studierendenzeitung veröffentlicht hat. Darin kritisiert Öztürk in sachlichem Ton und mit Verweis auf Quellen wie Amnesty International oder den Internationalen Gerichtshof das Vorgehen der israelischen Armee. Antisemitische oder Hamas-befürwortende Aussagen enthält der Text nicht.
Das Vorgehen hat System: Öztürk ist eine von mindestens acht internationalen Studierenden und Fakultätsmitgliedern mit Israel-kritischen Positionen, die unter Trump ins Visier der Einwanderungsbehörden geraten sind. Hier geht es nicht um den Kampf gegen Antisemitismus oder Terrorismus. Es geht darum, den Diskurs einzuschränken, indem man kritische Stimmen wortwörtlich entfernt und – noch viel wichtiger – ein Exempel statuiert. Israel-kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, ist ebenso Teil der Propagandastrategie Trumps, um die eigene Israel-Politik zu legitimieren, wie die lauten Bekenntnisse zur israelischen Regierung.
Wer mit einer Mischung aus Sorge und Verachtung auf die Trump-Administration blickt und denkt, hierzulande könnte es derlei autoritäre Diskurseinschränkungen nie geben, irrt gewaltig. In Deutschland zeichnen sich längst ähnliche Tendenzen ab.
Vergangenes Jahr hat das Bildungsministerium geprüft, ob kritischen Wissenschaftlern die Mittel gekürzt werden können. CDU und Ampel-Parteien haben eine Resolution verabschiedet, die dafür sorgt, dass Israel-kritischen Organisationen staatliche Gelder verwehrt werden können, und eine zweite, die kritische Forschung zu Israel und Palästina erschwert. Und auch hier hat es Abschiebebescheide wegen »terrorverherrlichenden« Aussagen gegeben, die in erster Linie pro-palästinensisch waren – eine Praxis, die vergangenes Jahr durch eine Gesetzesverschärfung unter SPD-Innenministerin Nany Faeser ausgeweitet wurde.
Noch kommt Deutschland an Trumps Methoden nicht ganz heran. Doch auch die bald regierende Union will Abschiebungen, Staatsangehörigkeits- und sogar Wahlrechtsentzug im Namen der Staatsräson ermöglichen beziehungsweise erweitern.
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