Usbekistan: Der neue wird der alte sein

Usbekistan wählt einen neuen Präsidenten, der Sieger steht schon fest

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.

Der usbekische Staatspräsident Schawkat Mirsijojew hatte es eilig im Frühjahr: Erst brachte er Ende April ein lang vorbereitetes Referendum durch, mit dem zwei Drittel der Verfassung geändert wurden, und nur wenige Tage später, am 8. Mai, verkündete er Neuwahlen für das Präsidentenamt. Diese finden am kommenden Sonntag statt. Dank der Verfassungsänderungen kann der Präsident zwei weitere Amtszeiten einlegen und das Mandat erstreckt sich fortan über fünf statt sieben Jahre. Sollte der jetzt 66-jährige Mirsijojew die Wahl gewinnen, wovon alle Beobachter ausgehen, könnte er bis zum Jahre 2037 im Amt bleiben und wäre dann 80 Jahre alt.

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Mirsijojew Vorhaben, die Verfassung zu ändern, war mit guten Vorsätzen gestartet. So sollten die soziale Absicherung verbessert, die Menschenrechte besser geschützt und die Todesstrafe abgeschafft werden. Im Paket der Verbesserungen steckte jedoch auch die Verlängerung der Amtszeit des Präsidenten. Laut der Wahlkommission stimmten gut 90 Prozent für die Verfassungsreform, die Wahlbeteiligung soll bei 85 Prozent gelegen haben. In einem Bericht des Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) der OSZE, das eine Wahlbeobachterkommission nach Usbekistan entsendet, wird jedoch Kritik an der politischen Situation in Usbekistan geäußert. Demnach hätten Gesprächspartner der ODIHR-Wahlbeobachtungsmission »Bedenken hinsichtlich der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit sowie über die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz« geäußert. Die politische Landschaft sei unverändert geblieben, und »keine der parlamentarischen politischen Parteien steht in offener Opposition zur Politik und Agenda des Präsidenten«.

Auch wenn die Verfassungsänderungen das Machtgleichgewicht zwischen den verschiedenen Institutionen ausbalanciert wurden, monieren Kritiker, dass dies vor allem getan wurde, um die Macht des Präsidenten zu stärken. »Zuvor hatte die Verfassung dem Parlament die Befugnis eingeräumt, unter anderem Präsidentschaftskandidaten für den Premierminister, Kabinettsminister, den Generalstaatsanwalt und den Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsdienstes zu genehmigen«, schrieb die Leiterin des in Berlin ansässigen Usbekischen Forums für Menschenrechte, Umida Nijazowa in einem Leitartikel für Nikkei Asia. »Den Änderungen zufolge kann das Parlament nur noch die Entscheidungen des Präsidenten unterstützen. Mit anderen Worten: Der Präsident braucht keine parlamentarische Abstimmung mehr, um einflussreiche Beamte seiner Wahl zu ernennen.«

Mirsijojew regiert seit 2016. Unter seinem Vorgänger Islam Karimow war die ehemalige Sowjetrepublik Usbekistan eines der repressivsten Länder der Region. Mirsijojew hat zumindest die Wirtschaft des Landes dem Ausland geöffnet und die Beziehungen zu den USA und Europa verbessert. Unter seiner Herrschaft wurden auch die Befugnisse der Sicherheitsdienste beschnitten. Das politische System bleibt aber verkrustet und lässt praktisch keinen Raum für neue politische Kräfte. Präsident Mirsijojew gewann die Präsidentschaftswahlen 2021 mit einer überwältigenden Stimmenmehrheit.

Nach den Parlamentswahlen 2019 sind alle fünf registrierten Parteien des Landes zwar im Parlament vertreten, aber keine davon steht in Opposition zur Politik des Präsidenten und der Regierung. Außer der Ökologischen Partei Usbekistans (EPU) im Jahr 2019 wurde seit 2003 keine andere Partei mehr zugelassen. Versucht hatte es am 16. April diesen Jahres die Demokratische Partei für Wahrheit, Entwicklung und Einheit. Sie kündigte an, sich als Partei registrieren lassen zu wollen. Bei der Sammlung der dafür notwendigen Unterschriften habe es Einschüchterungen und Verhaftungen gegeben, berichteten Parteivertreter. Am 15. Juni verweigerte das Justizministerium der Partei die Registrierung, die meisten gesammelten Unterschriften waren als ungültig abgelehnt worden.

»Seit 32 Jahren der Unabhängigkeit gab es in unserer politischen Arena keinen Wettbewerb«, sagte der 67-jährige Xidirnazar Allaqulow gegenüber der Nachrichtenwebseite Radio Free Europa in einem Telefoninterview. Den Antrag auf Registrierung seiner Partei hat das Justizministerium gerade ein zweites Mal abgelehnt. Für ihn ist die Sache klar: »Sie wollen keine Gerechtigkeit. Sie wollen keinen Rechtsstaat.«

Präsident Mirsijojew propagierte im Wahlkampf die Idee eines neuen Usbekistans und erntete Lob dafür, dass er die Zwangsarbeit auf den Baumwollfeldern nahezu abgeschafft, das Land für Tourismus und Investitionen geöffnet und eingeschränkte Medienfreiheiten zugelassen hatte. Doch mit dem Recht auf Meinungsfreiheit und politischen Pluralismus ist es in Usbekistan schlecht bestellt.

Noch immer sitzen Hunderte Menschen in usbekischen Gefängnissen, sei es wegen ihrer politischen Meinungen oder religiöser Überzeugungen. Gleich nach der Unabhängigkeit ist die usbekische Regierung hart gegen alles Religiöse und den wieder erstarkenden Islam vorgegangen. Zu den repressiven Instrumenten gehört auch das Einsperren von Oppositionellen in psychiatrischen Einrichtungen, das noch immer Anwendung finden soll.

Eine Karikatur, die kurz nach Mirsijojews Wahlankündigung kursierte, zeigt vier Männer, die sich bei einer Tasse Tee unterhalten. Einer blickt auf sein Handy und verkündet: »Im Juli finden Wahlen statt.« Der Mann ihm gegenüber antwortet überrascht: »Meine Güte, wen habe ich denn letzte Woche gewählt?«

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