Ausstellung in der Schweiz: Tauben schlagen sich durch

Eine Ausstellung im Schweizerischen Winterthur huldigt der Straßentaube

  • Robert Best
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Bild täuscht: Tauben in der Schweiz geht es auch nicht besser als Tauben in Castrop-Rauxel.
Das Bild täuscht: Tauben in der Schweiz geht es auch nicht besser als Tauben in Castrop-Rauxel.

Warum essen die Karnivoren unter uns eigentlich keine Straßentauben oder Stockenten? In Städten und Binnengewässern sind die doch zuhauf unterwegs. Ist es, weil die Viecher jede Menge Mist verzehren und Krankheiten mitschleppen? Das ist bei den bedauernswerten Tieren in Massenhaltung ja nicht anders. Oder weil man sie nicht einfach so erlegen darf? Da fänden sich doch bestimmt Leute mit den entsprechenden Lizenzen. Oder sind uns die Tiere schon so nahe, dass wir sie als Mitgeschöpfe unseren Haustieren gleichstellen?

In der Schweizer Stadt Winterthur läuft zurzeit die Ausstellung »Straßentaube – verehrt und verpönt«. Verpönt wird die Taube allenthalben, Stichwort »Ratte der Lüfte«. Aber verehrt? Die Wanderausstellung im Naturmuseum nimmt Bezug auf die Taube als Symbol des Friedens und der Liebe. Zur Sprache kommt auch die antike Funktion der Taube als »Seefahrerkompass«, da sie in Küstennähe gleich das Ufer ansteuert. Sympathisch ungeordnet mixt die Schau biologische, (pop-)kulturelle und stadtpolitische Aspekte.

Die gemeine Straßentaube, Columba livia domestica, stammt von der domestizierten Haustaube ab und diese wiederum von der wilden Felsentaube. Die antiken Griech*innen schätzten den Kot der Haustaube als Dünger und ihr Fleisch als Delikatesse. Mit der Zivilisation (ob in Anführungszeichen oder nicht) ist die Taube eng verknüpft. Während die Straßentaube als Kulturfolgerin gilt, rotteten Siedler vor gut 100 Jahren in den USA innerhalb kürzester Zeit die Wandertaube aus, die in Milliarden zählenden Schwärmen unterwegs war.

In unseren Breitengraden wurde die Taube am ehesten in den Vierzigern und Fünfzigern »verehrt und verpönt«, als »La Paloma« ein Hit wurde (bei Trikont gibt es übrigens eine tolle Kompilationsreihe mit Versionen aus der ganzen Welt), Erika Schirmer die »Kleine weiße Friedenstaube« dichtete und Georg Kreisler das »Taubenvergiften im Park« empfahl. »Durch Tötung kann eine Population nicht reguliert werden«, heißt es allerdings auf einer Ausstellungstafel. Dazu tauge einzig die »Senkung der Nahrungsgrundlage.« Bitte nicht füttern also. Ist vielerorts eh verboten, aber Tauben schlagen sich durch, auch wo es anders als in Winterthur keine Taubenbeauftragte gibt.

Zumindest die Weibchen sind aber eh nicht doof und außerdem solidarisch untereinander, Beispiel Balzverhalten. Ein Männchen wirbt um ein Weibchen, indem es sich gurrend vor ihm um die eigene Achse dreht. Das Weibchen steigt darauf ein oder eben nicht. Wenn das Männchen nicht lockerlässt, kann es sein, dass ein zweites Weibchen dem ersten zur Seite eilt, wodurch das Männchen derart verwirrt ist, dass es paralysiert zurückbleibt, wenn beide Weibchen zu verschiedenen Seiten davonflattern. Wo immer sie dann landen, werden sie wahrscheinlich von gelangweilten Kindern gejagt.

Die Ausstellung in Winterthur schärft den Blick für ein unterschätztes Tier, das in unseren Städten Lücken füllt und Drecksarbeiten übernimmt. Irgendwer muss schließlich auf Herrenhausfassaden und Prunkdenkmäler kacken.

»Straßentaube – verehrt und verpönt«: bis
22. Oktober 2023 im Naturmuseum Winterthur

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