Werbung

Bündnis stellt sich gegen Abschiebegefängnis in Düsseldorf

Kritik an europäischer Asylpolitik als »rassistische Praxis«

  • David Bieber
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach seiner Einrichtung 1994 stand der Abschiebeknast in Büren im Zentrum linker Kämpfe (Archivbild von 1995).
Nach seiner Einrichtung 1994 stand der Abschiebeknast in Büren im Zentrum linker Kämpfe (Archivbild von 1995).

Angesichts der drohenden Verschärfungen des Asylrechts in der EU dürften auch Abschiebegefängnisse in Deutschland für Ausreisepflichtige weiter in den Fokus rücken. Ohnehin ist der Druck, der auf diese Menschen ausgeübt wird, hoch; er wird noch weiter steigen, sind sich Asylexperten sicher.

In Düsseldorf soll künftig ein neuer Abschiebeknast in unmittelbarer Nähe zum Flughafen gebaut werden. Die geplante Anlage mit 25 Plätzen soll als sogenannter Ausreisegewahrsam dienen. Dort könnten Menschen bis zu zehn Tage lang inhaftiert werden, dies würde den Behörden eine bevorstehende Abschiebung erleichtern. Nach der 1994 in einer ehemaligen Nato-Kaserne eingerichteten »Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige« (UfA) im westfälischen Büren mit 175 Haftplätzen wäre es die zweite derartige Einrichtung in Nordrhein-Westfalen.

Abonniere das »nd«

Linkssein ist kompliziert. Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen. Jetzt abonnieren!

Die Pläne für ein Düsseldorfer Abschiebegefängnis existieren seit einigen Jahren, geschmiedet wurden sie noch von der schwarz-gelben Regierung. Auch die neue schwarz-grüne Regierung, die seit knapp einem Jahr im Amt ist, hält daran fest.

Das von der Grünen Josefine Paul geführte Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, als oberste Ausländerbehörde zuständig für die Entscheidung zum Bau einer Abschiebungshaftanstalt oder eines Ausreisegewahrsams in der Landeshauptstadt, gibt sich zu dem Komplex zugeknöpft. »Angesichts der Auslastungssituation der UfA Büren prüft die Landesregierung derzeit, ob eine weitere Einrichtung für ausreisepflichtige Personen sinnvoll und notwendig ist«, heißt es auf nd-Anfrage.

Keine klare Absage der Grünen

Hatten sich die NRW-Grünen im Wahlkampf noch gegen Abschiebegefängnisse ausgesprochen, scheinen mit Regierungsverantwortung Grundsätze über Bord geworfen worden zu sein. Der Sprecher für Flucht der Grünen-Landtagsfraktion, Benjamin Rauer, formuliert es so: »Die schwarz-grüne Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, dass Abschiebungshaft einen schwerwiegenden Eingriff in den grundrechtlichen Freiheitsbereich einer Person darstellt. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit setzen wir uns daher eindringlich dafür ein, dass vorrangig mildere Mittel ausgeschöpft werden müssen.« Dies liest sich mitnichten wie eine klare Absage.

Der Koalitionspartner, die CDU, will erst gar nichts von einer weiteren »Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige« (UfA) wissen: »Nach unserem Wissen sind keine weiteren Abschiebegefängnisse geplant.« Die Plätze seien nach derzeitigem Stand ausreichend. Die CDU verweist ebenso auf den im Koalitionsvertrag festgehaltenen »Grundsatz«.

Bei »vulnerablen Gruppen« wie Kindern wollen zumindest die Grünen aber eine Ausnahme machen. Wenn Menschen für eine erzwungene Ausreise eingesperrt würden, müsse man ihnen ferner Rechtsbeistand garantieren, so Rauer weiter. Letztlich bleibt es bei den Grünen, ob Ministerium oder Fraktion, beim gleichen Tenor: »Am Ende rechtsstaatlicher Asylverfahren kann aber auch die Verpflichtung zur Ausreise stehen.« Rückführungen und freiwillige Rückkehr seien auch Teil von Migrationspolitik, heißt es auf Anfrage von »nd«. Das grüne Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration verweist seinerseits noch auf die »humanitäre und chancengerechte Flüchtlingspolitik in NRW, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt«.

»Abschiebehaft muss abgeschafft werden«

NRW ist bundesweiter Spitzenreiter bei Abschiebungen. Allein in den vergangenen knapp drei Jahren wurden rund 90 Sammelflüge über den Flughafen Düsseldorf, den mutmaßlich zweitgrößten Abschiebeflughafen Deutschlands, organisiert. »Viele dieser Menschen wurden zuvor in Abschiebehaft gesperrt«, heißt es von dem Bündnis »Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf und überall«. Das in Düsseldorf ansässige und weitgefächerte Bündnis spricht sich entschieden gegen den geplanten Neubau am wichtigsten Flughafen des Landes und drittgrößten Deutschlands (gemessen an den Verkehrszahlen) aus. Es demonstrierte bereits anlässlich der ersten Sitzung des neu gewählten Landtages am 28. Juni 2022 vor dem Düsseldorfer Parlament.

»Wir wollen kein weiteres Abschiebegefängnis. Im Gegenteil: Abschiebehaft muss abgeschafft werden. Wir wenden uns gegen die aktuelle autoritäre und repressive Abschiebungspolitik in NRW und bundesweit und fordern eine gänzlich andere Politik gegenüber Menschen, die ihre Herkunftsländer verlassen mussten: eine Politik des Willkommens und des Bleibens«, steht auf der Internetseite des Bündnisses.

Kritisiert wird überdies, dass EU-Recht »einfach ignoriert« werde. Darin gebe es einen »verankerten Grundsatz der Vermeidung von Haft bei Abschiebung«. Abschiebehaft sei Teil der europäischen Asylpolitik und eine rassistische Praxis. Für die Behörden ist laut dem Bündnis die Inhaftierung lediglich eine Verwaltungsmaßnahme, auf die die Abschiebung in die Herkunftsländer oder andere EU-Staaten folgt. »Für die Betroffenen bedeutet es soziale Isolation, keine Beratung, weitere Gewalterfahrungen und Angst vor der erzwungenen Ausreise in ein Land, in dem das weitere Leben völlig ungewiss ist – und nicht selten lebensgefährlich.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal