Niedersachsen: Internetausbau nicht mehr gefördert

Land Niedersachsen muss sparen und tut dies bei Subventionen für Glasfaserkabel

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

»Hat der einen Stein im Schuh oder einen Krampf?«, denkt sich der TV-Zuschauer einer Bundestagsdebatte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht zum Rednerpult, scheint aber nach jeweils zwei Schritten stehen zu bleiben, bis er am Ziel ist. Grund für den vermeintlich ruckeligen Gang ist die Technik: Die Übertragungsleistung von Fernsehsendungen ist miserabel im kleinen Dorf im ländlichen Raum.

Um sich den »ruckeligen Kanzler« ebenso zu ersparen wie lang dauernde Datenübertragungen, hofft man in dem kleinen Ort, dass auch dort bald Glasfaserkabel für schnelles Internet verlegt werden. Aber ob und wann das geschieht, ist offen, denn es fehlt künftig wohl das Geld, mit dem das Land Niedersachsen den Breitbandausbau bislang förderte.

Die Hälfte der dafür nötigen Kosten trug bislang der Bund, je ein Viertel taten die jeweilige Kommune und das Land hinzu. Niedersachsen aber will seine Förderung der schnellen Datenübertragung ab 2024 einstellen. Diese Hiobsbotschaft haben die Kommunen dieser Tage erhalten.

Reiche Kommunen könnten den Landesanteil übernehmen, auch die jeweiligen Netzanbieter wären als Mitfinanziers denkbar – aber vor allem angesichts der leeren kommunalen Kassen bleibt so etwas wohl Wunschdenken.

Bleibt also »der ruckelnde Kanzler«, oder findet das Land eine Lösung, die in den kommenden Haushalt eingearbeitet werden kann? Rund 120 Millionen Euro hat Niedersachsen bisher pro Jahr für den Netzausbau bewilligt, insgesamt rund 500 Millionen. Und nun? Als Grund für den »Sparzwang« in Sachen Glasfasernetz sagte der Sprecher des Landes-Wirtschaftsministeriums, Florian Mosig, der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung«: »Die Inflation hat auch die Ausgaben des Landes in die Höhe getrieben.« Die Wirtschaft benötige finanzielle Hilfe des Landes, auch für den Klimaschutz seien höhere Aufwendungen nötig. Und zumindest mittelbar, so Mosig, forderten auch die Nachwehen der Corona-Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine ihren pekuniären Tribut. »Aktuell sind die Spielräume im Haushalt leider sehr begrenzt«, so Mosig.

Zurückhaltend ist das Land in Sachen Glasfaserförderung auch mit Blick auf die Entwicklung der Versorgung von Bürgern und Unternehmen mit schnellem Internet. Noch 2018 hätten nur sechs Prozent der Haushalte einen Glasfaseranschluss gehabt, inzwischen sei der »Versorgungsgrad« auf 81 Prozent gestiegen, in den kommenden Monaten dürften es 90 Prozent werden, sagte der Ministeriumssprecher.

Wenn es ungute Nachrichten von den Regierenden – in Niedersachsen von der rot-grünen Koalition – gibt, ist die Opposition nicht weit, um ihren Senf dazuzugeben. Wie im derzeitigen Fall die CDU, deren Abgeordneter Marcel Scharrelmann mahnte: Insbesondere ländliche Gebiete dürften beim schnellen Internet nicht abgehängt werden. Wirtschafts- und Digitalminister Olaf Lies (SPD) müsse dafür sorgen, dass die Netzausbaukosten gesenkt würden, sodass der Breitbandausbau fortgesetzt werden könne.

Deutliche Kritik kam auch aus den Kommunen, die kurzfristig per E-Mail über den finanziellen Rückzieher des Landes informiert wurden. »In der Sache ein fatales Signal der Landesregierung für den ländlichen Raum, in der Form inakzeptabel«, kommentierte der Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Landkreistags (NLT), Hubert Meyer, die Mitteilung des Ministeriums. »Die Entscheidung der Landesregierung hat uns völlig überrascht«, erklärte auch Ralf Klöker, Sprecher des Landkreises Wittmund. »Diese für uns negative Entwicklung – auch aufgrund der zahlreich geführten Gespräche in den vergangenen Wochen und Monaten – war überhaupt nicht absehbar.«

Lies hat indes Tröstliches parat: Die Ausbauprojekte, zu denen es bereits einen positiven Förderungsbescheid gebe, sollten fortgesetzt werden. Die erforderlichen Mittel, im Haushalt verankert, stünden weiter zur Verfügung. Und so dürfte auch in abgelegenen Orten eines Tages der Bundeskanzler auf dem TV-Bildschirm schnurstracks und dynamisch zum Rednerpult eilen, ohne nach wenigen Schritten anscheinend ein Denkpäuschen einzulegen.

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