USA: Eispackungen in der Notaufnahme

Die extreme Hitzewelle im Südwesten der USA nimmt kein Ende. Auch die Nächte bringen keine Abkühlung

  • Anjana Shrivastava
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit mehr als 40 Tagen lebt die Bevölkerung im Südwesten und Süden der USA unter einer Hitzekuppel, die die immer wärmere Luft nicht entkommen lässt. Betroffen sind Dutzende Millionen Menschen in den Bundesstaaten Texas, Arizona, Nevada, Kalifornien, Florida und Louisiana. So wurden seit Anfang der ungewöhnlich früh einsetzenden saisonalen Hitzewelle am 10. Juni mehr als 2300 Temperaturrekorde im Südwesten der USA gebrochen. In Phoenix (Arizona) gab es an mehr als 20 Tagen über 38 Grad, mit einer Maximaltemperatur von 47,7 Grad Celsius. In Del Rio im Süden von Texas wurde ein Rekord von 46 Grad verzeichnet.

Die Folgen sind nicht leicht zu ermitteln und werden erst nach und nach bekannt. CNN berichtete von bisher zwölf bestätigten Hitzetodesfällen im Landkreis Maricopa in Zentralarizona, eine Lokalzeitung von neun Todesfällen im südtexanischen Bezirk Webb im Monat Juni. In Phoenix berichtete der Intensivmediziner Frank LoVecchio: »Das Krankenhaus war nicht mehr so beschäftigt seit dem Höhepunkt der Covid-Welle.« Pro Schicht kämen drei, vier Hitze-Patienten hinzu. Manchmal helfe nur, sie in Eis zu packen, so hoch sei die Körpertemperatur bei der Ankunft.

Indes sind die Todeszahlen wenig aussagekräftig: Die Hitze kann Infarkte verursachen, doch nach dem Tod ist kaum zu beweisen, dass die hohen Temperaturen der Auslöser waren. Sowohl für Verwandte als auch für Gerichtsmediziner bleibt die eigentliche Ursache oft im Dunkeln. Erst im Nachhinein können Statistiker eine hohe Übersterblichkeit belegen. Auch deswegen ist die Bevölkerung im Südwesten der USA gefährdet: Die Bürger glauben, im Umgang mit Hitze geübt zu sein. Viele wollten Anfang Juni ihre Klimageräte reparieren, berichteten Verwandte von Verstorbenen, wurden aber vom frühen Beginn der Hitzewelle – von Latinos, die etwa ein Drittel der Bevölkerung von Arizona stellen, »La Canicula« (Hundstage) genannt – überrascht. Der Arzt Ivan Melendez aus Hidalgo City erzählte in der »Texas Tribune«, in seiner Kindheit in den 60ern hätten Ventilatoren und Wasser gereicht, »heute kann keiner ohne Klimagerät schlafen«.

Laut Medizinern sind an vielen Hitze-Todesfällen die sich nicht abkühlenden Nächte Schuld: Der Körper erhole sich von der Hitze normalerweise bei Temperaturen um 26 Grad. Lokal sank aber die Tiefsttemperatur über Tage hinweg nicht unter 36 Grad. Laut Klimaforschern sind die Nachttemperaturen in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark gestiegen. Grund seien die größeren Wolkenmassen, die die angestaute Hitze am Boden festhalten.

Die Hitzewelle trifft alle Bevölkerungsgruppen im Südwesten, aber manche besonders stark: Dazu gehören ältere Menschen, aber auch Freizeitsportler oder psychisch Kranke. Der Notarzt Richard Chamberlain aus Laredo berichtet, viele Opfer seien direkt von der Arbeit im Freien gekommen und die Temperaturen in den Innenräumen seien ungewöhnlich hoch. In viele Notaufnahmen strömen mehrheitlich Männer zwischen 18 und 45, die im Freien arbeiten. Sehr gefährdet sind auch Häftlinge wie in Texas, die zu zwei Dritteln ohne Klimatisierung wohnen und teils über mangelnde Wasserversorgung klagen. Mindestens fünf Häftlinge starben hier im Juni an Hitzefolgen, zwei von ihnen waren erst Mitte 30.

Notaufnahmen von Krankenhäusern berichten indes in der gesamten Region schon seit fünf Jahren von deutlich mehr Patienten durch Verbrennungen auf den asphaltierten Straßen. Hier können in der Sonne Temperaturen von 82 Grad erreicht werden. In diesem Jahr ist es noch gefährlicher, wenn dehydrierte Menschen auf dem Asphalt zusammenbrechen.

Ein Ende der Hitzewelle ist erstmal nicht in Sicht. Der Meteorologe Barry Goldsmith stellt die Frage, die Millionen Menschen derzeit umtreibt: »Wie wird der August?«

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