Berliner Linkspartei: Vorsicht, nicht überdehnen

Die Linke ist zu verkopft, meint Marten Brehmer

Wäre die Berliner Landespolitik eine Olympiade, die Linkspartei würde wohl regelmäßig das Treppchen bei der Gymnastik holen. Kaum eine andere Partei muss so breite Spagate schaffen: Zwischen Innenstadt und Außenbezirk, zwischen Regierung und Bewegung, zwischen den eigenen Flügeln. Lange Zeit sah es so aus, als könnte die Dehnübung gelingen, ein Politikangebot zu schaffen, das Neuköllner Studierende mit Herz fürs Klima ebenso anspricht wie Lichtenberger Plattenbaubewohner, die sich zuerst um die nächste Nebenkostenabrechnung sorgen. Die Partei erzielte Traumergebnisse und schaffte es in den Senat, ohne die Wurzeln in sozialen Bewegungen zu verlieren.

Geblieben ist davon nur ein Rest. Vor allem in den ehemaligen Hochburgen im Osten der Stadt hat Die Linke viele Stimmen verloren. Die Partei ist die gleiche geblieben, aber die Gesellschaft hat sich verändert. Die Gräben sind breiter geworden zwischen sozial Bewegten und sozial Abgehängten. Die Linke droht sich zu überdehnen.

Eine Antwort kann sie noch nicht geben. Das neue Strategiepapier des Landesvorstands will mehr vom Altbekannten: mehr Dialog, mehr Kooperation mit Bewegungen, mehr lokale Präsenz. Im ersten Moment klingt das logisch: Wenn sich alle an einen Tisch setzen und Kompromisse finden, steht am Ende ein Programm, mit dem alle leben können. Real geht diese Logik nicht auf. Wenn die Linke für »sowohl« und »als auch« steht, wissen die Wähler am Ende des Tages nicht mehr, was sie eigentlich bekommen, wenn sie ihr Kreuz bei den Sozialisten machen.

Man muss Sahra Wagenknecht für ihre politischen Positionen kritisieren, aber sie bringt eine Fähigkeit mit, die vielen in der Berliner Linken fehlt: Sie kann ihr Programm klar artikulieren und scheut die Kontroverse nicht. Niemand wählt Die Linke, weil er sich qua Milieuzugehörigkeit dazu verpflichtet fühlt. Sie wird gewählt, weil Menschen von ihren Inhalten überzeugt sind. Das Hauptproblem der Partei scheint zu sein, dass sie nicht weiß, wovon sie eigentlich überzeugen will.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.