Brandenburger Naturschutzgebiete: Überall Verschlechterungen

Natura-2000-Team und Umweltminister Axel Vogel begutachten den Krahner Busch bei Brandenburg an der Havel

Umweltminister Axel Vogel (Grüne) und das Natura-2000-Team-West am Krahner Busch (Potsdam-Mittelmark)
Umweltminister Axel Vogel (Grüne) und das Natura-2000-Team-West am Krahner Busch (Potsdam-Mittelmark)

Wir haben Verschlechterungen in allen FFH-Gebieten. Das wollen wir verbessern», sagt Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Um sich ein Bild vor Ort zu machen, ist er zu Besuch im Krahner Busch, der ein solches FFH-Gebiet ist und daher nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie von 1992 geschützt werden soll. Was ihm direkt auffällt: «Es gibt hier zu wenig Wasser.» Das sehe er zum Beispiel an den vielen Brennnesseln, die ein Stickstoffanzeiger sind und deshalb darauf hinweisen, dass der Wald zu trocken ist.

«Wir brauchen hier ein Gesamtkonzept, welches die landwirtschaftlichen Flächen einbezieht. Man kann den Wasserstand nicht nur auf einer Seite des Grabens anheben», sagt Vogel. Damit bezieht er sich auf die Entwässerungsgräben, die das gesamte Naturschutzgebiet durchziehen und dazu beitragen, dass der Boden im ehemaligen Moorgebiet austrocknet. So wurde die gesamte Landschaft einst landwirtschaftlich nutzbar gemacht, mit der zunehmenden Trockenheit allerdings wird das Problem für die Natur und Artenvielfalt immer größer. «Auch die Landwirte haben ein Interesse daran, dass ihre Böden nicht austrocknen», so der Umweltminister zu «nd». Deshalb müsste mit diesen zusammen über Maßnahmen gegen die Austrocknung gesprochen werden.

«Das Wasser ist der Dreh- und Angelpunkt», sagt Vogel und wiederholt damit die Worte von Botaniker Christoph Buhr, Teil des dreiköpfigen Natura-2000-Team-West. Natura 2000 ist ein EU-weites Schutzgebietsnetz, zu dem in Brandenburg 600 FFH- und 27 Vogelschutzgebiete gehören – laut Umweltministerium rund ein Viertel der Landesfläche.

Fünf Teams kümmern sich in Brandenburg um die FFH-Gebiete, die nicht Teil der Nationalen Naturlandschaften sind und so nicht im Arbeitsbereich der Großschutzgebietsverwaltungen liegen. «Bisher haben wir die FFH-Flächen nur innerhalb der großen Naturschutzgebiete angemessen betreuen können. Die neuen Teams versorgen nun auch die kleineren, außerhalb liegenden Gebiete – wie Spinnen im Netz», so Umweltminister Vogel. Vor knapp einem Jahr hat das erste Team die Arbeit aufgenommen, Ende dieses Jahres soll das fünfte Team vollständig besetzt sein.

Das Team West ist für 40 FFH-Gebiete in den kreisfreien Städten Potsdam und Brandenburg an der Havel und den Landkreisen Havelland und Postdam-Mittelmark zuständig. In letzterem liegt auch der Krahner Busch. Das Besondere an dem Stück Natur südlich von Brandenburg an der Havel ist der Laubbaumbestand, wie Christoph Buhr vor Ort erklärt: der Erlen- und Eschenwald auf dem größeren Teil des Gebiets und die Stieleichen und Hainbuchen auf einer kleineren Fläche. «So ein Wald ist selten in Brandenburg», sagt der Botaniker. Deshalb muss er als Lebensraum von vielen verschiedenen Tieren und Pflanzen erhalten und geschützt werden.

«Es gibt hier diverse Schmankerl aus der Pflanzenwelt», so Buhr. Im Eichen- und Hainbuchenwald finde man beispielsweise die Süße Wolfsmilch, die hier ihr nördlichstes Vorkommen habe. Erlenbruchwälder in gutem Zustand wiederum seien reich an Unterholz und so würden dort unter anderem Holunder und Schwarze Johannisbeeren wachsen. «Früher gab es hier auch viele Eschen.» Diese seien aber dem großen Eschensterben durch einen aus Asien stammenden Pilz zum Opfer gefallen.

Auch die Tiervielfalt in dem Gebiet muss geschützt werden. So kommen im Krahner Busch zum Beispiel Eisvögel, Kraniche und mehrere Spechtarten vor, alles geschützte Vogelarten. «Vier Spechtarten habe ich bisher hier gefunden, zum Beispiel den Mittelspecht und den Buntspecht», sagt Sven Tiltow, ebenfalls Teil des Natura-2000-Team-West. Die fünf Brandenburger Teams setzen sich jeweils aus Mitarbeiter*innen der Stiftung Naturschutzfonds und des Landesamts für Umwelt zusammen, Tiltow ist Vertreter für letzteres.

Er hat neben den Spechten auch eine Fledermaus-Behausung im Krahner Busch gefunden. «Die schwarzen Spuren dort am Baum deuten auf Fledermäuse hin, die dort ihre Fettschicht am Bauch abstreifen», sagt er zu «nd» und zeigt auf ein Loch hoch oben im Stamm einer Erle, unter dem diese dunklen Verfärbungen zu sehen sind. «Hier ist auf jeden Fall ein Jagdhabitat für Fledermäuse.»

Eine Maßnahme, um die Artenvielfalt im Krahner Busch zu erhalten und den Zustand des Gebiets zu verbessern, ist die Einrichtung eines Stausystems der Entwässerungsgräben. «Durch einen Stau im Graben kann man das Wasser hier im Erlenbruch anheben, aber das betrifft auch die umliegenden Wiesen», sagt Kim Fromm zu «nd». Die Biologin ist die dritte Mitarbeiterin bei Team-West, zusammen mit Christoph Buhr gehört sie zur Stiftung Naturschutzfonds.

Das betrifft dann zum Beispiel die umliegenden Landwirt*innen, mit denen man eine Lösung finden muss. Aber auch die Eigentümer*innen der geschützten Gebiete müssen solchen Maßnahmen zustimmen. Ein Eigentümer am Krahner Busch ist der Naturschutzbund Nabu, der sich um den Ankauf möglichst vieler solcher Flächen bemüht, aber es gibt auch viele private Eigentümer*innen.

«Hier gibt es eine sehr kleinteilige Eigentümer-Struktur, viele der Flächen sind unter einem Hektar groß», sagt Reinhard Siegel, Ortstvorsteher des nahegelegenden Krahne, welches ein Ortsteil der Gemeinde Kloster Lehnin ist. Reinhard selbst war Eigentümer eines kleinen Stückchens des Krahner Buschs, nun sei es sein Sohn. Auch ihn treibt am meisten der Wasserhaushalt im Laubbaumwald um. «Es ist wichtig, durch Stauanlagen einen durchgängigen Wasserdurchlauf zu ermöglichen», sagt er zu «nd».

Die kleinteilige Eigentümerstruktur beschäftigt das Team-West nicht nur im Krahner Busch, sondern in vielen der von ihnen betreuten FFH-Gebiete. So berichtet Kim Fromm von einer Pfeiffengraswiese, die zum Teil aus der Pflege genommen worden sei und nun durch viel Schilfwuchs verhölzere. Um dem entgegenzuwirken, brauche es das Einverständnis aller Eigentümer*innen. «Meistens sind das in solchen Fällen um die 20 Flurstücke, da dauert das eine Weile, alle Beteiligten zu erreichen», sagt sie.

Ein anderes Projekt des Teams ist, ein ehemaliges Rotbauchunken-Habitat im Wald bei Klein Kreutz wieder als Lebensraum für die Amphibien herzustellen, «denn denen geht es schlecht», sagt Christoph Buhr. Die Fläche sei einst feucht gewesen und nun ausgetrocknet. Nun müsse herausgefunden werden, warum das passiert ist und wie aufwendig es wäre, das wieder rückgängig zu machen. «In diesem Fall ist die Stadt Brandenburg der Eigentümer und unterstützt eine Renaturalisierung.» Als Projektträger habe man den Wasser- und Bodenverband an Bord geholt.

Die Beispiele zeigen, dass die Natura-2000-Teams nicht nur vor Ort in den Schutzgebieten die Lage beurteilen müssen, sondern vor allem Gespräche mit allen Beteiligten, etwa Behörden, Verbände und Landnutzer*innen, führen müssen, um die Naturschutzvorgaben für die FFH-Gebiete umzusetzen. Dass das Interesse am gemeinsamen Naturschutz gegeben ist, lässt sich auch daran erkennen, dass beim Besuch im Krahner Busch neben Umweltminister Vogel zum Beispiel auch Vertreter*innen von Nabu, vom Wasser- und Bodenverband und vom Forstamt anwesend sind und rege mitdiskutieren.

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