- Kommentare
- Nato
Politische Deals für ein Ende des Ukraine-Kriegs
Die Debatte über mögliche Ausstiegsszenarien aus dem Ukraine-Krieg ist überfällig, meint René Heilig
In der kleinen südnorwegischen Stadt Arendal fand am Dienstag eine Podiumsdiskussion statt. Ein Mann namens Stian Jenssen dachte laut über ein mögliches Ende des Ukraine-Konfliktes und die künftige Sicherheit in Europa nach. Die Ukraine, so argumentierte er, könnte Territorien an Russland abtreten und im Gegenzug Nato-Mitglied werden. Man kann vieles über diese Idee denken – irrelevant ist sie nicht. Denn: Jenssen ist Stabschef des Nato-Generalsekretärs Stoltenberg und seit zehn Jahren dessen engster Mitarbeiter.
Das Gespräch, von dem ein Mitschnitt existiert, führte umgehend zu harschen und ablehnenden Reaktionen in Kiew und Moskau – nicht jedoch in den Hauptstädten der westlichen Allianz. Bereits beim Gipfel in Vilnius und jüngst beim Kontakttreffen in Saudi-Arabien war spürbar, dass man in Nato-Kreisen über politische Deals für ein Ende des von Russland losgetretenen Krieges nachdenkt. Dass man dazu das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine samt Völkerrecht verbiegen muss, erscheint – jenseits offizieller Bekundungen – legitim.
Nur mit Mühe lässt sich verhindern, dass der scheinbar endlose Krieg zum globalen Konflikt eskaliert. Trotz gigantischer westlicher Unterstützung kommt Kiews Gegenoffensive nicht voran. Das Kalkül, Moskau zu Verhandlungen zu zwingen, ist offenkundig gescheitert. Das westliche Interesse an der Fortsetzung des Krieges schwindet. Die eigenen Ressourcen sind endlich, andere globale, regionale und nationale Krisen drängen. In Washington bereitet man sich auf einen Wechsel der Präsidentschaft vor. China steht im Fokus. Es gibt viele – nicht nur moralische – Gründe, um die in Arendal aufgekeimte Debatte im eigenen Bündnis zu vertiefen, um sie dann mit Hilfe Dritter nach Moskau und Kiew zu transferieren.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.