Junge Alternative: Noch rechter als die AfD?

AfD-Bundesvorstand fordert Sperre einer Funktionärin der Jungen Alternative

Die 23-jährige Bundesvorständin der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA), Anna Leisten, ist der Rechtsaußenpartei wohl zu weit rechts. Am Ende eines Interviews mit dem rechtsextremen Magazin »Compact« hatte sie sich eines Zeichens bedient, das in der rechten Szene für »White Power«, also »Weiße Macht« steht. Daraufhin wurde sie von der AfD-Spitze aufgefordert, sich aus der Partei zurückzuziehen und »alle Ämter in der Jungen Alternative unverzüglich niederzulegen«. Außerdem soll Leisten zwei Jahre vom Amt gesperrt werden.

In einer Stellungnahme, die einem Journalistenteam der »Tagesschau« vorliegt, versucht Leisten, die Geste zu rechtfertigen. Das Handzeichen solle nur »es läuft« bedeutet haben. Auch den von der JA benutzten Slogan »Seid wehrhaft. Bildet Gemeinschaft!« legitimiert sie gegenüber der ARD mit der Begründung, junge Menschen müssten sich in einem Umfeld täglicher Angriffe von Migranten und »Linksextremen« selbst verteidigen. Deshalb sei es »logischerweise notwendig, dass junge Menschen zur Wehrhaftigkeit erzogen werden«, so Leisten.

Auch, dass die JA Boxtrainings anbietet und ihre Mitglieder bei Wehrsportwettkämpfen teilnehmen, begründet Leisten derart. Sie habe aber nie zur Gewalt aufgerufen und dulde auch keine Gewalttätigkeit in den Reihen der JA Brandenburg. Die JA beabsichtige »keine militante paramilitärische Organisation oder etwas dergleichen zu werden«, wie es in der Investigativrecherche der »Tagesschau« heißt. Dass die Veranstaltung von der AfD-Jugendorganisation »Trainingslager Ostfront 2025« genannt wurde, war laut Leisten »scherzhaft« gemeint und »auf die in Mainstreammedien verbreitete Kriegsrhetorik unserer Tage« bezogen. »Ich bewege mich mit meinen Positionen und meinem Handeln nicht außerhalb des parteiüblichen Rahmens«, so Leisten.

Die Entscheidung, eine symbolische Grenze nach Rechtsaußen zu setzen, kommt in einer Zeit, in der die AfD sich sowohl inhaltlich als auch rhetorisch immer extremer gibt. Beim AfD-Parteitag Anfang August wurde deutlich, dass vergleichsweise gemäßigte Stimmen wie der ehemalige Vorsitzende Georg Meuthen kaum noch eine Rolle spielen. Der Thüringer Landesvorsitzende Björn Höcke fällt immer wieder mit rechtsextremen Provokationen auf. Warum also diese Distanzierung von Leisten?

In der Stellungname der JA werde die Amtssperre gegen Leisten als Reaktion auf die scharfe Kritik des Jugendverbandes am AfD-Parteivorstand bewertet, schreibt die ARD. Als Opposition könne es keine Option sein, in Zukunft nicht mehr von »importierter Gewalt« oder »Messerstechern« zu sprechen, soll es darin heißen. Das Publikum, das von solchen Aussagen angesprochen werde, zähle »zum Markenkern der AfD und der JA«. Sollte der Bundesvorstand dies jedoch anders bewerten, »würde u.a. die gesamte, erst vor kurzem aufgestellte Kandidatenliste zur Wahl des Europaparlaments infrage gestellt sein«, zitiert die »Tagesschau« aus dem Statement der JA. Denn der Großteil der EU-Kandidaten habe mit genau solchen Begriffen für sich geworben – »ohne Intervention des Parteivorstandes«. Dementsprechend läge also auf der Hand, dass es sich bei der nun aufkommenden, innerrechten Auseinandersetzung vorrangig um einen Machtstreit handele.

Nicht nur der Parteivorstand, die neu bestimmten EU-Kandidaten und die Jugendorganisation der AfD geben sich immer offener rechtsextrem. Auch ihre Anhängerschaft begeht rhetorische Grenzüberschreitungen selbstbewusster denn je. Jüngst zirkulierte ein Video im Internet, in dem sich ein AfD-Mitglied am Rande einer hessischen Parteiveranstaltung selbst als Nationalsozialist bezeichnet. Auf die übliche mediale Empörungswelle folgten Solidaritätsbekundungen mit dem Mann: Ein Bild mit dem Statement »Wir alle sind Nazis« wurde auf Facebook und X Tausende Male geteilt.

In den vergangenen Monaten gewinnt die in Teilen als rechtsextrem eingestufte AfD immer mehr an Aufwind. Auch erste Regierungsverantwortungen übernimmt die Partei zumindest auf Kommunalebene. Kürzlich wurde der erste AfD-Landrat, Robert Sesselmann, im thüringischen Sonneberg vereidigt, zudem der Kommunalpolitiker Hannes Loth im sachsen-anhaltischen Raguhn-Jeßnitz. Die bundesweiten Umfragewerte der AfD liegen bei 20 Prozent, damit wäre sie zurzeit im Bundestag zweitstärkste Kraft.

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