Jüdisches Berlin: Schabbat Schalom

Ein Blick vom heiligen Ruhetag auf die Herausforderungen der Jüdischen Gemeinde in Berlin

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 13 Min.

Wie wichtig der Schabbat sei, wusste schon Mischket Liebermann zu berichten, die Berliner Bühnenschauspielerin und DDR-Kulturvermittlerin. Selbst auf der Flucht aus Galizien, als ihre Familie sich bei Anbruch des Ersten Weltkriegs auf dem beschwerlichen Weg nach Deutschland befand, habe ihr Vater, Rabbi Pinchus Elieeser Liebermann, das jüdische Gesetz eingehalten. Sobald der Schabbat nahte, habe er die vielen »Kinderlechs« und die immer weniger werdenden Bündel genommen und sei aus dem Zug gestiegen, in dem sie gerade fuhren. »Und wenn es auf freiem Feld war. Und wenn es in Strömen regnete. Er bat so lange, bis der Lokführer anhielt und uns aussteigen ließ. Denn im Alten Testament steht geschrieben: ›Sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten aber ruhen.‹ Da war nichts zu machen.« Dabei fuhr der Zug von allein. Ihr Vater aber soll darauf bestanden haben, dass ein Jude am Schabbat auch andere Menschen nicht zur Arbeit verleiten dürfe.

»Schabbat Schalom!« Hundert Jahre später besuche ich an einem Freitagabend eine »Kabbalat Schabbat« in einem Garten in Berlin-Zehlendorf. Die Gastgeber, ein junges Ehepaar namens Nina und Max, sind ein klein wenig erstaunt. Ich stelle mich vor und den mitgebrachten Wein aufs Büfett, wo schon andere Flaschen stehen. Bevor ich zu den Leuten gehe, nehme ich mir noch eine Kippa vom Tisch. Im koscheren Lebensmittelgeschäft in der Brunnenstraße, wo ich den Wein geholt habe, wollten sie mir keine »Jarmulke« verkaufen. »They have enough Kippot«, hieß es.

Der Schabbat hat eine lange Geschichte. In der jüdischen Überlieferung wird berichtet, dass Gott zu seinem Volk Israel sprach: »Wenn Ihr meine Thora annehmt und die Gesetze befolgt, so will ich Euch für alle Ewigkeit die wertvollste Sache geben, die sich in meinem Besitz befindet.« Worauf Israel fragte: »Und was ist die wertvollste Sache, die Du uns geben willst, wenn wir die Tora befolgen?« Worauf der Allerhöchste sprach: »Die künftige Welt.« Das Volk Israel aber bat: »Schon in dieser Welt sollten wir einen kleinen Vorgeschmack haben.« Darauf Gott: »Der Schabbat gibt Euch einen Vorgeschmack.«

Auf der Wiese neben dem Haus stehen Stühle zu drei Sitzreihen, davor ein Tisch mit zwei Kerzenständern und den geflochtenen Schabbat-Broten, die in ein Tuch eingewickelt sind. Gut 20 Menschen sind gekommen, die mich nicht oder kaum beachten. Eine Dame verteilt Flugblätter gegen Gideon Joffe, den Berliner Gemeindevorsitzenden, der die Wahl zur Repräsentantenversammlung am 3. September mehr oder weniger manipuliert haben soll. Ich sage der Frau, dass ich nicht wahlberechtigt bin. »Da sind Sie nicht der einzige, junger Mann.« Sie lacht. Zwei Stühle neben mir unterhält sich eine Gruppe darüber, dass Joffe kein Demokrat sei, dass er das demokratische Prinzip der persönlichen Stimmabgabe abgeschafft habe zugunsten einer ominösen Briefwahl. Neuerdings dürften Juden ab 70 nicht mehr kandidieren, mehr als jedes dritte Gemeindemitglied sei davon betroffen – ausgenommen jene Alten, die dem Gremium derzeit angehörten und natürlich Freunde von Joffe seien. Dessen Vorgängerin aber, Lala Süsskind, und viele andere Gegenkandidaten würde man gar nicht erst zulassen. Überhaupt habe der Zentralrat die Berliner Wahl vorab für ungültig erklärt … Darf man als Jude oder Jüdin am Schabbat politische Gespräche führen? Vermutlich nicht, wenn man Politiker ist, dann wäre es Arbeit.

Auch Mischket Liebermann erzählt davon. Die Woche über hätten sie im Berliner Scheunenviertel wie Bettler gelebt, doch ab Freitagabend wie die Könige. Das Buffet im Garten aber muss warten. Rabbi Rothschild ist von meinem Besuch überrascht. In seinem Mailverteiler habe sich wohl ein Fehler eingeschlichen, ein Missverständnis. »Aber bleib!« Es hat einen gewissen Charme, als Goi vom »neuen deutschland« zur Feier des Schabbes aufzuschlagen. Und das auch noch im tiefsten Westberlin! Die »Kabbalat«, erfahre ich, sei der Empfang des Schabbat. Eine Zeremonie, mit der Jüdinnen und Juden auf der ganzen Welt eine Stunde vor Sonnenuntergang ihren Ruhetag begrüßen. Anders als in der Familie der orthodoxen Mischket Liebermann sitzen hier im Garten die Geschlechter nicht getrennt, sondern gemischt – das heißt, noch aber stehen sie. Nina, die Frau des Hauses, zündet die zwei Kerzen an. Alle wünschen sich: »Schabbat Schalom.« Von jetzt an werde ich, des Hebräischen und der jüdischen Tradition unkundig, bis zur Predigt so gut wie nichts verstehen. Einige Gebete spricht der Rabbi sogar auf Deutsch, nur bin ich dabei völlig überfordert, was unter den Leuten hier nicht unbemerkt bleibt. In der letzten Reihe rechts außen sitze ich und stehe auf, wenn alle aufstehen. Und ich drehe mich um, wenn alle sich umdrehen – bei der letzten Strophe von »Lecha dodi, likrat kalla«, was übersetzt heißen soll: »Komm, mein Freund, der Braut entgegen«. Obwohl wir im Freien den Schabbat begrüßen, wenden sich plötzlich alle einer imaginären Tür zu. Und als wäre diese Tür geöffnet, lassen sie – bildlich gesprochen – die Zukünftige hereintreten. Der Schabbat wird begrüßt wie eine Braut.

Transparenzhinweis: Rabbiner Walter Rothschild kenne ich schon lange. Das Institut Neue Impulse e.V. veranstaltet regelmäßig in Brandenburger Kirchen und Schulen interreligiöse Gespräche. Auf dem Podium sitzen dann immer ein Reform-Imam, eine buddhistische Nonne, ein evangelischer Pfarrer und Rabbi Rothschild. Und meine Wenigkeit. In der Vorstellungsrunde sage ich dann immer, dass Gott die Atheisten mag, weil die ihm nicht so auf die Nerven gehen. Aber das sagt sich so leicht. Leben ohne Gott ist kein Problem – Sterben ohne Gott ist Scheiße.

Rabbi Rothschild sagt, dass Jesus wohl ein typischer Jude war, wenn er geglaubt habe, dass seine Mutter Jungfrau sei, und die wiederum hielt ihren Sohn für Gott. Im englischen Bradford 1954 geboren, spricht Rabbi Rothschild mit leichtem englischem Akzent. Nach dem Brexit besorgte er sich die deutsche Staatsbürgerschaft, die die Nazis seinem Großvater, einem Landgerichtsrat in Hannover, weggenommen hatten. Auf die Frage nach seiner Herkunft reagiert er mürrisch, erst recht, wenn die Gojem fragen:

»Sind Sie etwa verwandt mit …« – »Bitte?« – »… der berühmten Winzerfamilie in Frankreich?« – »Unser Familienstammbaum ist zweigeteilt: die einen haben Geld, die anderen sind nett.« – »Und zu welchem Teil gehören Sie?« – »Ich muss arbeiten.«

Rabbi Rothschild sagt immer, und dafür liebe ich ihn, es gibt eine Zeit vor der Zeit und es gibt eine Zeit nach der Zeit. Seine Predigt heute handelt von unserer Zeit. Davon, dass er im vergangenen Sommer in England in der Kathedrale von Hereford die »Mappa Mundi« gesehen habe, jene berühmte mittelalterliche Weltkarte, ohne Amerika und Australien. Damals glaubten die Menschen noch, dass ihr Leben auf der Erde Konsequenzen haben würde. Irgendwann aber beschloss die Menschheit, dass sie Gott nicht braucht, »dass sie selbst Gott sei und alle Entscheidungen treffen könne, ohne sich auf einen Schöpfer zu berufen«. Die Menschen hätten gelernt, dass sie aus der Erde ausgraben konnten, was immer sie wollten und Meere trockenlegen und Wälder abholzen. Und sich gegenseitig massakrieren. – Die Predigt dauert eine Viertelstunde. Der Rabbi redet noch von schmelzenden Polkappen und dem Klimawandel, um dann am Ende ein weißes Blatt hochzuhalten, die Mappa Mundi der Zukunft. »Vielleicht wird dies in zweihundert Jahren eine Weltkarte sein …«

Mittlerweile ist über Zehlendorf die Sonne untergegangen. Es folgt der Kiddusch: Der Rabbi spricht einen Segensspruch über den Wein und leitet damit den Schabbat ein. Und wieder sagen alle: »Schabbat Schalom!« Womit der gesellige Teil des Abends beginnt. Binnen weniger Minuten verwandelt sich der Gottesdienst in ein Gartenfest. Wir trinken den Wein und essen zuerst vom Challot, den verschiedenen jüdischen Zopfbroten. Und obwohl ich mich selbst eingeladen habe, fühle ich mich willkommen. Am Büfett gibt es unterschiedliche Salate, köstliche Desserts und Weine. »Was ist denn ein Kaddisch-Wein?«, will ich wissen. »Was ist das Besondere?« – »Sie haben wohl keine Ahnung?«, weist mich eine Dame zurecht. »Junger Mann, Sie haben sich gerade mächtig blamiert.« – »Was?« – »Kiddusch nicht Kaddisch! Sie haben die Heiligsprechung des Weines mit dem Totengebet verwechselt!« Um mich herum lauter grinsende Gesichter. Wichtig sei vor allem die Challa, wird mir erzählt. Das jüdische Zopfbrot sei der Grund, warum im Judentum die Ehen so lange halten. Weil jede Frau ihr eigenes Rezept hat und ihr Mann sich über die Jahre hinweg an den Geschmack gewöhnt hat und einfach keine andere Challa mehr essen mag.

An einem der Tische wird in kleiner Runde noch einmal über Gideon Joffe gesprochen, den amtierenden Gemeindevorsitzenden. Der kürzlich verstorbene Gemeindeälteste Arkadi Schneidermann habe ihm Amtsmissbrauch, Untreue und Vetternwirtschaft vorgeworfen und auch, dass Joffe die Änderung der Gemeindesatzung verheimlicht habe. Hier am Tisch kennt niemand die neue Satzung. In das Papier dürfe man nur unter Aufsicht Einblick nehmen, nach vorheriger Anmeldung. Und das ohne Handykamera! Der ältere Herr, der mir davon erzählt, zeigt sich ein wenig irritiert, als ich ihm sage, dass ich zum Rabbi gehöre – als Atheist. Aber das ist das Gute am Judentum: Niemand versucht mich zu missionieren. Mein Gegenüber ist nur verwundert. Der Mann fragt, warum so viele Leute sich neuerdings eine jüdische Identität erfinden, wie dieser eine Journalist (er meint Fabian Wolff), der dann auch noch anderen Juden ihr Jüdischsein erklärt habe. Fake-Jews, sage ich, gab es schon immer, zumindest seit Kriegsende. Sogar in der DDR: Karin Mylius (1934–1986), die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, die bei den Gebeten wohl ein Fantasie-Hebräisch sprach und nie, wie behauptet, im Konzentrationslager war, auch nicht ihr Vater, der in der Nazizeit Polizeiwachtmeister war.

Wer aber darf sich denn nun Jude nennen? Beim TuS Makkabi zum Beispiel spielen alle denkbaren Nationalitäten mit. Allerdings: Die Erzählung, die der Verein mit sich trägt, ist eine dezidiert andere! 78 Jahre nach der Shoa, der Ermordung von über sechs Millionen Juden, war Makkabi in diesem Sommer der erste jüdische Verein überhaupt, der im DFB-Pokal mitspielte. Und als Linksaußen Voahariniaina für die Blauen nach einer halben Stunde endlich gegen den VfL Wolfsburg ein Tor schoss, tobte die Tribüne. Was für ein Fest! Orthodoxe, Liberale, Säkulare – viele von ihnen aus den Staaten der früheren Sowjetunion –, alle lagen sich in den Armen! Und hörten nicht, dass der Linienrichter Abseits gegeben hatte. Makkabi, der Berliner Oberligist, schied mit 0:6 aus dem Turnier. Schade, aber kein »Schlamassel«.

Doch zur Frage: Wer gehört denn nun dazu? Wer darf sich Jude oder Jüdin nennen? Es gibt ethnische Juden und konvertierte Juden, wird mir gesagt. Außerdem noch jene, bei denen nur der Vater oder Großvater jüdisch ist, sowie die »Non-jewish Jews«, wie sie Isaac Deutscher nennt, also Marx, Freud, Adorno etc. und natürlich Rosa Luxemburg – allesamt Menschen, die Juden sind, sich aber selbst nicht als solche verstehen oder verstanden haben.

Das Absurde sei, sagt Rabbi Rothschild, dass die Bezeichnung Jude in Deutschland immer noch ein Schimpfwort sei. »Die größte Beleidigung aber, die man einem Juden an den Kopf werfen kann, ist die, ihm zu sagen, dass er eben kein Jude ist.« Wenn Walter Rothschild von seiner Religion, seinem Volk redet, spricht er von einem »Glauben mit beschränkter Hoffnung«. Und Jude sei, wer jüdische Albträume hat …

Einen solchen Albtraum hat Avital Gerstetter durchlebt: An der Synagoge in der Oranienburger Straße war sie einmal Deutschlands erste Kantorin. Auf Youtube kann man erleben, was für eine wunderbare Stimme diese Frau hat. Gerstetter hat Konzerte in England, Italien und den USA gegeben. In New York wurde sie zur Kantorin ausgebildet. Und in Berlin gefeuert, im letzten Jahr, nachdem sie in einer Kolumne für »Die Welt« geschrieben hatte: »Warum die wachsende Zahl von Konvertiten ein Problem für das Judentum ist.« In den letzten drei Jahrzehnten hätten die Giurim, die Übertritte zum Judentum, so stark zugenommen, dass in manchen Betergemeinschaften der Anteil der Konvertiten bei bis zu 80 Prozent liege. Dies hätte Folgen für die seit vielen Generationen gewachsene Traditionspflege, die so kaum noch leistbar sei, »zumal inzwischen häufig auch Rabbiner und Rabbinerinnen, Kantoren und Kantorinnen erst spät übergetreten sind«. Die Kantorin schrieb: »Das Lehren aus einer gewachsenen und erfühlten Erfahrungswelt heraus, geprägt von den Erlebnissen der eigenen Kindheit und Jugend, ist so unmöglich.« In den meisten Fällen führe die christliche Sozialisation, gepaart mit dem eifrig erlernten Buchwissen zu einem neuen, einem theoretischen Judentum, »fast zu einer ganz neuen Religion«.

Eigentlich ein harmloser Text. Wenn man das als Angestellte der Jüdischen Gemeinde nicht mehr öffentlich kundtun darf, hat die jüdische Gemeinde in Berlin ein ganz anderes Problem. In der Kolumne ist niemand beleidigt oder verleumdet worden. Und ausgerechnet eine Konvertitin, Rabbinerin Gesa Ederberg, sorgte für die Kündigung, gegen die Avitall Gerstetter am 16. August vor dem Berliner Arbeitsgericht klagte.

Die Kammer hat ein Urteil gesprochen, die Kündigung für nichtig erklärt, damit aber das Problem nicht gelöst. Die Frage, wie in der Gemeinde heute die geborenen Juden, die Nachkommen der Opfer, mit den Bekenntnisjuden, den Nachkommen der Täter umgehen sollen, kann juristisch nicht beantwortet werden, so Arbeitsrichter Arne Boyer. Der zentrale Streitpunkt, der durch Avitall Gerstetter vielleicht etwas undiplomatisch aufgeworfen wurde, sei die nach der Motivation der Übertritte. Bei jemandem, der nur einen jüdischen Vater habe, seien die Motive selbstverständlich andere als bei jemandem, dessen Großvater in der SS war.

Wenn er im Ausland sei, so Richter Boyer, besuche er nach Möglichkeit immer die jüdischen Friedhöfe. »Warum mache ich das? Weil es sonst niemand macht.« Der Richter schluckte. In seinen Augen sammelte sich das Wasser. »Mein Großvater war bei der SS ...« Stille im Raum, so viel Wahrhaftigkeit erlebt man selten.

Eigentlich müsste die Zahl der Konvertiten eine eher zu vernachlässigende Größe sein. Nach Angaben der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland zählte die Jüdische Gemeinde Berlin im vergangenen Jahr bei 8378 Mitgliedern lediglich 15 neue Übertritte (bundesweit 66). Anderseits dürfte in der Allgemeinen Rabbinerkonferenz ihr Anteil bei einem Drittel liegen, wobei die sogenannten »Vaterjuden« noch nicht mitgezählt sind. Und Gideon Joffe braucht jeden Fürsprecher für die Wiederwahl, die keineswegs sicher scheint.

Die Hürde zum Übertritt ist hoch. Die jüdischen Bräuche und Gesetze gilt es einzuhalten. Die Kandidaten haben Hebräisch zu lernen, die Männer müssen sich beschneiden lassen. Und erst nach einem langwierigen, konfliktreichen Prozess entscheidet ein Gericht aus drei Rabbinern, ob sie es ernst meinen und der Gemeinschaft würdig sind. Wenn das der Fall ist, erkennt das jüdische Gesetz diese Menschen fortan als vollberechtigte Juden an. Und tatsächlich: Nicht wenige dieser Bekenntnisjuden befolgen die jüdischen Gesetze strenger als manche, die als Juden geboren wurden. Die Frau zum Beispiel, die mich beim Schabbat im Garten zurechtgewiesen hat, ist schon vor Jahrzehnten konvertiert, erfahre ich. Ebenso der Kantor in der Synagoge in der Rykestraße, die ich am Schabbat-Morgen aufsuche und der als einziger in Berlin mit aschkenasischem Dialekt die hebräischen Gebete vorsingt und nicht in der sephardischen Tradition wie in den anderen Berliner Synagogen, wie in Israel.

»Konvertiten übernehmen die Religion«, sagt Andras Varga, »aber sie übernehmen nicht die Geschichte.« Der 79-Jährige stammt aus Ungarn und hat schon zu DDR-Zeiten in der Rykestraße gebetet. Varga, dessen Mutter mit ihm im Budapester Ghetto schwanger war, ist in der Jüdischen Gemeinde einer der letzten Holocaust-Überlebenden. Ein jüdisches Sprichwort sagt: »Das Vergessenwollen verlängert das Exil, das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.« Und das Erinnern an die Shoah prägt seit Kriegsende die jüdische Identität in Deutschland. Doch was ist mit jenen, die in ihren Familien diese Erinnerung nicht mitbekommen haben?

Ist die Herkunft denn so wichtig? Ist die »Jüdischkeit«, von der so viele in der Gemeinde reden, abhängig von der Biologie? Vielleicht ja doch. Rabbi Rothschild kennt den Unterschied zwischen christlichem und jüdischem Blut: »Wir sind Jesus negativ.«

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