Leistung, Leistung, Leistung!

Andreas Koristka macht sich gemeinsam mit Friedrich Merz Sorgen über den Wirtschaftsstandort Deutschland

Früher lebten wir in Deutschland in einer Leistungsgesellschaft par excellence. Ich erinnere mich gut daran, wie wir morgens in der Schule büffelten. Kamen wir heim, legten wir uns nicht auf die faule Haut, sondern trugen den Omas ihre schweren Einkaufsnetze hoch, um ihnen in einem unbemerkten Moment 20 Mark zu klauen. Mit dieser Arbeitseinstellung habe ich es zum Millionär geschafft und bin mir trotzdem nicht zu schade, hier für ein läppisches Honorar von 15 000 Euro regelmäßig eine Kolumne zu schreiben. Aber so fleißig wie ich sind leider nicht mehr viele Deutsche.

Heute ist es üblich, dass Büromitarbeiter schon nach wenigen Stunden Toilettenpausen einfordern, statt ihren Schließmuskel so zu trainieren, dass sie einen Arbeitstag lang das Wasser halten können. In vielen Betrieben pochen die Angestellten auf ein freies Wochenende und kostenlose Bürostuhlbenutzung und die DHL-Boten geben die Pakete nur noch im Erdgeschoss ab.

Andreas Koristka

Andreas Koristka ist Redakteur der

Satirezeitschrift Eulenspiegel. Für

»nd.DieWoche« schreibt er alle zwei

Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«.

Alle Texte unter: dasnd.de/koristka

So kann es nicht weitergehen. Das hat auch Oppositionsführer Friedrich Merz von der CDU erkannt. Er fordert eine Debatte über »Leistungsgerechtigkeit«. Momentan habe Deutschland eine schlechte Regierung, »die Leistung bestraft«. So wurden mehrere emsige CDU-Bundestagsabgeordnete zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, weil sie zu Coronazeiten Millionenprovisionen für die Vermittlung von Maskenverkäufen erhielten. Also, genau genommen wurden sie nicht verurteilt, sondern die Verfahren wurden allesamt eingestellt, aber es geht eben ums Prinzip!

Es ist doch klar, dass die wenigsten Leute noch Lust auf Geschäftserfolge oder Führungspositionen haben. Denn es ist viel bequemer, zu Hause Bürgergeld zu beziehen, als die Stelle des Aufsichtsrat-Chefs bei BlackRock anzunehmen und deshalb gezwungen zu sein, mit dem eigenen Flugzeug durch die Welt zu fliegen. Wenn man dann noch befürchten muss, die Staatsanwaltschaft wegen jeder Kleinigkeit im Nacken zu haben, macht dies den Job noch unattraktiver.

Hört man sich unter Millionären um, kommt einem immer öfter zu Ohren, dass viele von ihnen heute nicht mehr bereit wären, so viel Geld zu verdienen. Deshalb möchte Friedrich Merz wieder Anreize dafür schaffen. Er möchte zum Beispiel Überstunden steuerfrei stellen. Dann könnte wieder jeder Regaleinräumer im Supermarkt reich werden, wenn er bereit ist, an seine Acht-Stunden-Schicht regelmäßig noch ein paar Jahre dranzuhängen.

Gäbe es solche Anreize, dann würden die Leute nicht mehr faul zu Hause herumsitzen und nach dem Frühstück fragwürdige Kommentare wie diesen hier in linken Nischenzeitungen lesen, sondern sie würden endlich einen Zweitjob im Steinbruch annehmen und von Sonnenauf- bis -untergang malochen. So könnte die Wirtschaftsleistung wieder steigen, denn keinem ist geholfen, wenn er für eine Vier-Tage-Woche angemessen bezahlt wird und keine Angst davor zu haben braucht, dass er die Miete nicht aufbringen kann.

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Anreize sind nun mal die Triebfeder des menschlichen Handelns. Niemand käme zum Beispiel auf die Idee, sich freiwillig den kleinen Finger abzuschneiden. Würden aber 20 000 Euro steuerfrei dafür geboten, gerieten sicher einige ins Überlegen. Genau das ist die Logik von Friedrich Merz, mit der wir unser Deutschland, den derzeit kranken Mann Europas, wieder auf Vordermann bringen können.

Packen wir das also endlich gemeinsam an. Ich werde mit gutem Beispiel voran gehen und meiner verwitweten Villennachbarin die Einkäufe in die Küche tragen.

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