Etappensieg für Semilla in Guatemala

Internationaler Druck zeigt sichtbare Erfolge

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 4 Min.

Das oberste Wahlgericht hat entschieden: die Suspendierung des Movimiento Semilla (Samenkorn) ist vorerst aufgehoben. Das ist ein Erfolg der Anwälte der Partei des designierten Präsidenten Bernardo Arévalo, aber auch ein Indiz dafür, dass internationaler Druck wirkt.

Zudem scheinen längst nicht alle Richter*innen an Schlüsselpositionen des Justizsystems auf der Lohnliste des »Paktes der Korrupten« zu stehen. Das ist die positive Nachricht und dazu passt die Begründung von Gerardo Ramírez, Sprecher des Obersten Wahlgerichts (TSE): »Es ist nicht vernünftig oder klug, den Status politischer Organisationen anzufechten (…), bevor das Wahlverfahren vorbei ist.«

Das ist de facto eine juristische Ohrfeige für diejenigen, die seit Monaten versuchen, die Partei Semilla matt zu setzen: Richter Fredy Orellana und Staatsanwalt Rafael Curruchiche. Sie sind die Gesichter der instrumentalisierten Justiz und ihre Namen, wie jener der Generalstaatsanwältin María Consuelo Porras, stehen auf der »Liste Engel«, auf der mittelamerikanische Politiker*innen und Unternehmer*innen landen, die sich antidemokratisch verhalten und nachweislich korrupt sind. Ihnen ist nicht nur die Einreise, sondern auch jegliche Geschäftsaktivität in den USA verboten.

Das hat die drei Juristen allerdings nicht daran gehindert, die Justiz als Instrument gegen Andersdenkende, Umweltaktivist*innen, progressive Richter*innen und Staatsanwält*innen oder auch Parteien einzusetzen. Für die 21 Abgeordneten von Semilla hätte die Suspendierung zur Folge, dass die Partei keinen Fraktionsstatus im 160-köpfigen Parlament erhalten, nicht an Kommissionen beteiligt würde und daher ihre Aufgaben nur partiell wahrnehmen könnte.

Das wäre eine massive Schwächung des designierten Präsidenten im Parlament. Arévalo spricht von einem »juristischem Staatsstreich«. Es gebe »eine Gruppe korrupter Politiker und Beamter«, die sich weigerten, das Wahlergebnis »zu akzeptieren, und die einen Plan entwickelt haben, um die verfassungsmäßige Ordnung zu brechen und die Demokratie zu gefährden«, sagte der 64-Jährige am Wochenende vor Journalisten.

Das sieht die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nicht anders und pikant ist, dass der guatemaltekische Vertreter eine entsprechende Erklärung ebenfalls unterzeichnete. Dazu kursiert in Guatemala ein Video in den sozialen Netzwerken, das zeigt, wie sich der guatemaltekische Außenminister Mario Búcaro vom Kollegen aus Uruguay belehren lassen muss, dass er die OAS-Erklärung, die eine Praxis der Einschüchterung und Instrumentalisierung der Justiz in Guatemala verurteilt, mitunterzeichnet habe.

Dass die OAS sich so deutlich geäußert habe, finde er positiv, sagt der ehemalige Ombudsmann für Menschenrechte, Jordán Rodas. Das wünsche er sich auch von der EU und hoffe, dass unter dem derzeitigen spanischen Vorsitz ein ähnliches Instrument wie die »Liste Engel« zustande kommen könne. Mehr Druck beispielsweise auf Unternehmen, die die Korruption unterstützten, sie förderten und davon profitierten, würde helfen.

»Zudem sollten sich die USA deutlicher äußern, als es bisher der Fall war«, meint Rodas. Er gehört zu den Aktivist*innen, die Guatemala aus Sicherheitsgründen verlassen mussten. Er beobachtete die Situation erst aus Spanien, nun tut er das aus Mittelamerika.

Internationale Aufmerksamkeit ist auch aus Sicht von Menschenrechtsorganisationen wie Udefegua oder Cal DH essenziell. Sie weisen darauf hin, dass die Suspendierung von Semilla nur bis zum 31. Oktober Bestand habe. Dann müssen die Richter*innen des Obersten Wahlgerichts (TSE) wieder entscheiden. Das ist die schlechte Nachricht des Urteils.

Die Versuche, Semilla zu suspendieren oder gar zu annullieren, werden weitergehen, und alarmierend sind auch die Hinweise auf Attentatspläne gegen Arévalo, worauf die Interamerikanische Menschenrechtskommission vor einer Woche aufmerksam machte. Für Beobachter wie den deutschen Juristen Michael Mörth ist es Zeit, dass Bernardo Arévalo besser geschützt wird und sich weniger in der Öffentlichkeit blicken lässt. Der volksnahe 64-jährige Politiker müsse besser abgeschirmt werden, so Mörth.

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