Iran ist ein Gefängnis für Journalist*innen

Rang 177 von 180 belegt der Iran auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen

  • Christopher Resch
  • Lesedauer: 3 Min.

Ob die Fotografin kurz vor dem Abdrücken wohl innegehalten hat, gezögert? Denn ihr muss klar gewesen sein, dass die Behörden gerade dieses Foto verhindern wollten, das der Welt die trauernden Eltern von Jina Mahsa Amini zeigte, die kurz zuvor im Teheraner Kasra-Krankenhaus gestorben war. Nur sechs Tage später wurde die Journalistin Nilufar Hamedi in ihrer Wohnung verhaftet. Heute ist der Iran eines der größten Gefängnisse für Journalist*innen weltweit.

Schon vor Beginn der Revolution war der Iran eines der repressivsten Länder für Medienschaffende überhaupt. Derzeit steht das Land auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) auf Rang 177 von 180. Und der Fisch stinkt vom Kopfe: Präsident Ebrahim Raisi war als stellvertretender Teheraner Staatsanwalt im Jahr 1988 persönlich mitverantwortlich für ein Massaker in iranischen Gefängnissen, bei dem auch hunderte Journalistinnen und Reporter ermordet wurden.

Digitale Überwachung, willkürliche Verhaftungen und Aburteilungen hatten seit Raisis Amtsantritt 2021 zugenommen. Mit dem Beginn der Aufstände am 16. September 2022 ging das Regime in Teheran noch einmal brutaler vor, verstärkt auch gegen Frauen. Wer über die Demonstrationen berichtete, riskierte verhaftet, verhört und unter fadenscheinigen Anschuldigungen inhaftiert zu werden. RSF hat in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 79 verhaftete Medienschaffende gezählt. Davon sind zwölf noch immer im Gefängnis, insgesamt 24 in Haft.

Die Behörden gehen dabei bewusst willkürlich vor. Eine Reporterin wird während einer Demonstration festgenommen, einer anderen werden bei einer Razzia in ihrer Wohnung Handschellen angelegt, ein dritter Journalist wird direkt in der Redaktion verhaftet. Der Hauptvorwurf ist immer gleich – »staatsfeindliche Propaganda«, oft mit weiteren, erschwerenden Umständen.

In den Haftanstalten kommt es immer wieder zu physischer und psychischer Folter. Gerade verhaftete Medienschaffende verschwinden manchmal einfach. Termine für Gerichtsanhörungen werden oft kurzfristig an- oder abgesetzt. Seit Beginn der Proteste wurden zwar Dutzende Medienschaffende entlassen, aber mit Arbeits- und Ausreiseverbot belegt oder direkt erneut festgenommen. Auch im Ausland lebende Medienschaffende erhalten Drohungen. Teils werden im Iran lebende Verwandte willkürlich festgenommen – ein solcher Fall ist RSF auch mit Bezug zu Deutschland bekannt. Zudem häufen sich digitale Angriffe auf Email-Adressen in Deutschland und auf die der Kontakte im Iran massiv.

Was tun? Natürlich schert sich die iranische Führung nach außen hin wenig um all die internationalen Appelle zur Mäßigung. Die Pressefreiheit ist für sie kein Wert an sich, den es zu schützen gilt. Dennoch glauben wir an die Kraft internationaler Solidarität, das bestätigen uns inhaftierte Journalist*innen immer wieder. Auch die Bundesrepublik Deutschland kann viel mehr tun. Es braucht unbürokratische, flexible Schutzzusagen von der Bundesregierung, dass bedrohte Journalist*innen nach Deutschland kommen können, wenn sie das wollen. Zentral ist aber der internationale Druck: Weil Sanktionen vor allem die Zivilbevölkerung treffen und verwässert werden, braucht es Konkretes: Die Gerichtsprozesse müssen sehr viel transparenter werden. Iran ist nicht Nordkorea – an solchen Punkten kann man ansetzen, diese Forderung haben auch zwei bekannte iranische Reformjournalisten geäußert.

Das würde zumindest Elahe Mohammadi helfen, die seit fast einem Jahr im berüchtigten Evin-Gefängnis bei Teheran sitzt. Sie hatte unter der Überschrift »Ein Land der Trauer« über Jina Mahsa Aminis Beerdigung berichtet. Und ihrer Kollegin Nilufar Hamedi, die am 16. September 2022 das berühmte Foto schoss. Und die wohl weder innegehalten noch gezögert hat. Dafür war ihr Foto zu wichtig.

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