Westberliner Verwaltungsbau: Ein Stahl-Skelett, das weichen soll

An der Urania 4-10 soll ein Gebäude in öffentlicher Hand abgerissen werden

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Kurz vor dem Abriss: Das Westberliner Verwaltungsgebäude An der Urania 4-10
Kurz vor dem Abriss: Das Westberliner Verwaltungsgebäude An der Urania 4-10

Lena Löhnert würde ihn am liebsten retten, den Zwölfgeschosser An der Urania 4-10. Sie ist Teil des Architekturkollektivs »Ufo«, das hier an der Grenze zwischen Tiergarten und Schöneberg bereits im Februar mit einer Demonstration auf den aus ihrer Sicht schützenswerten Bestand und das, was mit ihm passieren soll, aufmerksam gemacht hat.

Auch am Freitag beim Runden Tisch Liegenschaftspolitik erzählt sie die Geschichte des 1967 errichteten Verwaltungsbaus noch einmal nach und erklärt, warum er nicht Geschichte sein muss. »Mit dem Gebäude würde ein Zeugnis der Berliner Westmoderne verschwinden«, sagt Löhnert.

Doch die Zeichen stehen schlecht für den grauen Bau. An der Adresse ist längst anderes vorgesehen. 2017 zog der Landesrechnungshof hier aus. Die Mitarbeiter wollten nicht mehr in dem schadstoffbelasteten Gebäude arbeiten. PCB, Polychlorierte Biphenyle, ein krebserregender Stoff, wurde in dem Gebäude gefunden. Seitdem steht das Gebäude im Eigentum der Bim, dem Immobilienmanagement des Landes, leer. 2018 beschäftigte sich ein städtebauliches Werkstattverfahren mit der Zukunft des Areals, bei dem drei Planungsbüros Entwürfe erarbeiteten. Das Konzept eines dieser Büros wurde von einem Begleitgremium – bestehend aus Vertretern des Senats für Stadtentwicklung, der Bezirke Mitte und Tempelhof-Schöneberg und der Eigentümer – ausgewählt. Das Ergebnis: Die gesamte Kreuzung An der Urania, Kurfürstenstraße und Schillstraße bekommt ein neues Gesicht. Auch der schadstoffbelastete Verwaltungsbau soll abgerissen werden und durch einen Neubau ersetzt werden. Dieser wird künftig auch Platz für Wohnraum erhalten. Bis dahin wird es aber noch mindestens bis zum Ende des Jahrzehnts dauern.

An anderer Stelle ist man bereits weiter fortgeschritten. Das in privater Hand befindliche Pressehaus Constanze auf der Kurfürstenstraße, ein in den 1970ern errichteter Bau, wurde bereits abgerissen. Ein 17-geschossiger Büroturm mit zwei angegliederten Wohnblöcken wird dort nun gebaut. Zusätzlich zu dem Abriss des Gebäudes An der Urania 4-10 sollen auch die Hausnummer 18 sowie das Hotel Sylter Hof an der Kurfürstenstraße abgerissen werden. Löhnert meint, dass das nicht sein muss. Die Gebäude seien prägend für das Stadtbild. Die Mischnutzung, die gerade für den Standort des Verwaltungsbaus vorgesehen ist, könnte auch im Bestandsgebäude umgesetzt werden. »Wir haben hier einen Stahl-Skelett-Bau, der eine freie Grundrissgestaltung auf allen Etagen zulässt.«

Birgit Möhring, Geschäftsführerin der Bim, sieht das anders: »Ich bin mir sicher, dass wir an einem Abriss nicht vorbeikommen werden.« Um die Grundrisse für eine Wohnnutzung zu ändern, müssten umfangreiche Arbeiten vorgenommen werden, die am Ende die Schadstoffe im Gebäude freisetzen würden. Zwar findet aktuell eine Schadstoffsanierung des Gebäudes statt, die auch für einen Abriss notwendig ist. Dabei wird unter anderem die Fugenmasse entfernt, wo der Primärschadstoff entdeckt worden sei. Es gebe aber Sekundärquellen, das wisse man auch von der Schadstoffsanierung des Steglitzer Kreisels, sagt Möhring. »Egal ob Asbest oder PCB, sie diffundieren in benachbarte Region.« Heißt: Der Schadstoff ist wahrscheinlich im Beton und den könne man aufgrund der Statik des Gebäudes nicht vollständig entfernen.

Lena Löhnert wünscht sich eine Machbarkeitsstudie zur Sanierung des Gebäudes. Birgit Möhring sagt, der Bim fehle das Geld dazu. Ohnehin sei man längst zu einem Ergebnis gekommen, der Abriss soll nächstes Jahr beginnen, eine erneute Studie wäre eine Verzögerung.

Christian von Oppen, Leiter der Stabsstelle Architektur in der Senatsbauverwaltung, sagt, dass sich am Ende alle so eine Studie wünschen würden. Dass die Senatsverwaltung allerdings eine in Auftrag geben werde, dieses Versprechen macht er auch nicht. »Seit dem Werkstattverfahren haben sich Punkte geändert in der Wahrnehmung der Gebäudesubstanz«, sagt er. Man müsse aber dennoch sehen, dass es nicht nur um die Urania 4-10, sondern auch um eine städtebauliche Neuordnung der gesamten Kreuzung gehe.

Theresa Keilhacker, Präsidentin der Berliner Architektenkammer, sagt, man müsse das Haus nicht unbedingt zu einem Wohngebäude umbauen. Man könne es auch als Verwaltungsgebäude ertüchtigen und beispielsweise Polizisten aus maroden Dienststellen unterbringen. Keilhacker fordert ein generelles Umdenken mit dem baulichen Erbe der Nachkriegszeit ein. Gerade in öffentlichen Gebäuden gebe es einen enormen Instandhaltungsrückstau. »Es gibt Abrissanträge für denkmalgeschützte Schulen, weil seit 20 Jahren eine Leitung im Keller nicht saniert worden ist«, verdeutlicht sie das Ausmaß.

Bei der Umnutzung von Büroflächen sieht Keilhacker ein großes Potenzial. Das hatte zuletzt auch eine Analyse des Immobiliendienstleisters Jones Lang LaSalle gezeigt. Dank Homeoffice ständen viele Büros leer, aus denen in den großen Städten mehrere Tausend Wohnungen werden könnten. Für die landeseigenen Unternehmen fordert Keilhacker, dass Machbarkeitsstudien zur Umnutzung von Bestandsgebäuden verpflichtend werden, bevor diese abgerissen werden.

Birgit Möhring sieht das Problem, dass zu viel abgerissen und neu gebaut wird, zumindest nicht bei der Bim. »Seit unserer Existenz bauen wir im Bestand und in den seltensten Fällen neu. Herrichten, verdichten: Das ist unser Brot-und-Butter-Geschäft«, sagt sie. Man wolle das erhalten, was wirklich erhaltenswert ist. Für den Verwaltungsbau An der Urania gelte das aber nicht.

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