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Gerichtsurteil in Brandenburg: Bis ins Asylheim verfolgt

Fünf rechte Schläger in Cottbus für brutalen Angriff in der Silvesternacht 2018 verurteilt

Am Dienstagabend wollte der asylfeindliche Verein »Zukunft Heimat« wieder einmal in Cottbus demonstrieren. Treffpunkt sollte um 18 Uhr die Stadthalle sein. 500 Teilnehmer waren bei der Polizei angemeldet. Das Motto: »Grenzen ziehen! Remigration!« Im Klartext bedeutet das: Grenzen schließen, Geflüchtete abschieben.

In die Hand spielt den Asylfeinden Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), der Panik verbreitet und von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) immer wieder stationäre Kontrollen an der polnischen Grenze fordert, um Schleuser zu erwischen, die Flüchtlinge nach Brandenburg bringen. Am Wochenende registrierte die Polizei 173 illegal eingereiste Menschen, allein 115 davon griff sie in Forst (Spree-Neiße) auf. Dazu muss man allerdings wissen, dass sich diese Menschen in der Regel nicht mehr verstecken. Sie wollen ja Asyl beantragen und gehen auch selbst auf die Polizisten zu, die sie dann nach Eisenhüttenstadt in die Erstaufnahme bringen.

Kopf des 2015 gegründeten Vereins »Zukunft Heimat« ist Christoph Berndt, inzwischen AfD-Fraktionschef im Landtag. Nachdem zwei syrische Jugendliche Anfang 2018 am Einkaufszentrum Blechen-Carré in der Cottbuser Innenstadt Messer gezogen und Einheimische angegriffen hatten, konnte »Zukunft Heimat« bis zu 2000 Menschen zu Kundgebungen mobilisieren. Erst wollten sich syrische Jugendliche am Eingang des Carrés vordrängeln, und als eine Frau dies nicht zulassen wollte, beschwerten sich die Jugendlichen über angeblich mangelnden Respekt ihnen gegenüber und attackierten den Ehemann der Frau. An einem späteren Tag stritten Jugendliche miteinander und ein 15-jähriger Syrer verletzte einen Deutschen mit einem Messer im Gesicht.

Fest steht, dass die Gewalt Anfang 2018 nicht nur von einer Seite ausging. Denn deutsche Schläger hatten Geflüchtete in der Silvesternacht bis in deren Asylheim hinein verfolgt und auf sie eingeschlagen. Die Täter mussten sich jetzt vor dem Landgericht Cottbus verantworten und erhielten am Freitag nach einem langwierigen Prozess »erwartungsgemäß milde Urteile«, wie der Verein Opferperspektive mitteilte.

Zwei von sieben Angeklagten, die erst später in den Eingangsbereich des Asylheims dazukamen und denen keine Gewalttätigkeiten zugeordnet werden konnten, seien freigesprochen worden. Ein Angeklagter, der zu Prozessbeginn ein Geständnis abgelegt und sich entschuldigt habe, sei zu einem Jahr und drei Monaten Haft verurteilt worden – ausgesetzt zur Bewährung.

Während die Opfer von »Ausländer raus«-Rufen und rassistischen Beschimpfungen berichteten und Chatprotokolle aus dem Umfeld der Täter eine rechte Gesinnung nahelegten, verteidigten sich die Angeklagten damit, zwei Frauen seien durch die Flüchtlinge angeblich sexuell belästigt worden, wie der Verein Opferperspektive erläutert. Die Polizei habe den Tätern diese Version geglaubt, ohne sie tiefergehend zu prüfen. Ein Beamter habe geäußert, aus Berufserfahrung zu wissen, dass Männer aus bestimmten Kulturkreisen zu solchen Handlungen neigten. »Es ist zutiefst ärgerlich, dass die Polizei in diesem Fall keine ernsthafte Ermittlungsarbeit geleistet hat«, beklagt Opferberater Joschka Fröschner. Das »vorurteilsbehaftete Vorgehen« habe eine echte Aufklärung der Hintergründe der Tat behindert. Das Gericht habe trotzdem den rassistischen Gehalt des Übergriffs anerkannt. Das sei eine »späte Genugtuung für die Betroffenen«.

Die Opferperspektive kritisiert einmal mehr, wie lange es im Gerichtsbezirk Cottbus dauert, bis Täter sich verantworten müssen. Oft können sich Zeugen dann kaum noch erinnern, was auch dazu führen kann, dass Schuldige freigesprochen werden müssen, weil ihnen nichts mehr nachgewiesen werden kann. Im konkreten Fall wurde das Urteil beinahe sechs Jahre nach der brutalen Attacke gesprochen. »Die Auswirkungen des rassistischen Angriffs sind bis heute spürbar«, sagt Fröschner. »Einer der Betroffenen hat einen schweren Kieferbruch erlitten, dessen Folgen ihn nach wie vor belasten. Doch nicht nur körperlich, sondern auch seelisch haben alle Betroffenen tiefe Wunden davongetragen.«

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