Humorlos, aber witzig

Zwei Möglichkeiten des Death Metal: Neue Alben von Ding Fetus und Blond Incantation

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf der Suche nach dem Prog Rock: Blood Incantation, live in Kopenhagen 2022
Auf der Suche nach dem Prog Rock: Blood Incantation, live in Kopenhagen 2022

Immer schön, wenn Virtuosität und schlimme Räudigkeit in der Musik zusammenfinden. Gegensätze ziehen sich an. Die US-amerikanische Death-Metal-Band Dying Fetus setzt schon im Bandnamen auf maximale Verworfenheit und bastelt seit Mitte der 90er Jahre beharrlich an einem Sound, der sich seit den Anfangstagen eigentlich nie geändert hat und damit, bei allem Extremismus, beruhigend konservativ daherkommt. Ein eifriges, immer genaues Hochgeschwindigkeitsschlagzeug, gutturales Gegröle an der Grenze zum Grunzen, das klingt wie aus dem Gulli aggressiv grummelnde Gitarren.

Alles simpel: »Eingängige Riffs zu schreiben und sie einprägsam zu machen«, so hat der Dying-Fetus-Gitarrist und -Sänger die Herangehensweise seiner Band erklärt. »Egal, welchen Musikstil du machst, mach es zu etwas, das die Leute immer wieder hören wollen.« Das ist es dann im Wesentlichen auch.

Und das funktioniert auch auf dem neuen Album »Make Them Beg for Death« wieder sehr gut und so, als wäre seit 1995 keine Zeit vergangen. Auch erhalten haben sich die hin und wieder sehr doofen, gewaltaffinen Texte, die man zum Glück nicht versteht, aber nachlesen kann (»Coming from behind/ My headlights drawing near A sadist in the night/ A psychopath on wheels/ With Toolbox at my side« und so weiter). Zumeist wird bei Dying Fetus aber genreuntypisch gesellschaftskritisch geröhrt, wenn auch immer schön vage: »You’re the clueless mark to lead us to utopia/ Instead we got the free ride straight into dystopia«.

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Es ist aber letzten Endes auch egal. Die Musik von Dying Fetus lebt von Kompression und Druck. Das hat sie mit jener der Genrekollegen Blood Incantation gemeinsam, die allerdings auf ihrer EP »Luminescent Bridge« anders als Dying Fetus weiter an der Erweiterung der musikalischen Möglichkeiten werkeln.

Death Metal verbindet sich mit einer am Progrock geschulten Komplexität. Tempiwechsel in hoher Frequenz, alles läuft durcheinander und kommt dann immer wieder da an, wo es ganz gewaltig schallert. Die Hippie-Jam-Ästhetik, die auf dem letzten Blood-Incantation-Album »Timewave Zero« voll durchkam, für das die Band so einen Tangerine-Dream-lastigen Pilz-Ambient fabrizierte, ist auch in den Metal-Songs hörbar. Und ganz offen wieder im Titeltrack der EP, das an »Timewave Zero« anschließt. Blood Incantation spielen einen Death Metal, der auch als psychedelische Musik prima funktioniert. Ohne dass sie, die Musik, deswegen weniger donnern würde.

Beide Bands verbinden das Hässliche und Abjekte mit technischer Perfektion, und aus dieser Spannung heraus entsteht dann Interessantes und Lustiges. Etwa wenn Blood Incantation den ersten der zwei jeweils zehnminütigen Songs auf »Luminescent Bridge« – »Obliquity Of The Ecliptic« – am Ende in einem klischeehaften Onanie-Gitarrensolo zerfasern lassen. Dying Fetus hingegen gehen mit einem heiligen Ernst vor: »Make Them Beg for Death« ist eine komplett humorlose Platte. Und darin dann aber auch wieder ganz witzig. Wie sich im Metal ja überhaupt gerne Erhabenheit und Komik aufs Schönste verbinden.

Dying Fetus: »Make Them Beg for Death« (Relapse/Membran)
Blood Incantation: »Luminescent Bridge« (Century Media/Sony Music)

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