Freie Wähler: Neue Konkurrenz für CSU auf Bundesebene

Die Freien Wähler könnten der CSU bei der nächsten Bundestagswahl gefährlich werden

  • Helge Meves
  • Lesedauer: 3 Min.

CDU, CSU, Freie Wähler und AfD sind die Wahlsieger des 8. Oktober. Alle anderen Parteien verloren Stimmen oder gar ihre Landtagsfraktionen. Die schlechte Regierungsbilanz der Berliner Ampel mag eine Erklärung bieten, denn SPD, Grüne und FDP verloren in Hessen wie Bayern massiv. Zugleich aber stehen die Wahlsiegerinnen CDU und CSU nicht so gut da, wie sie es glauben machen möchten. Zwar konnten die Christdemokraten in Hessen unter Ministerpräsident Boris Rhein gegenüber 2018 laut vorläufigem Endergebnis 7,6 Prozentpunkte hinzugewinnen. Zugleich sind ihre 34,6 Prozent immer noch das zweitschlechteste Ergebnis seit 1966. Und die CSU hat mit 37 Prozent noch einmal ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis aller Zeiten von 2018 (37,2 Prozent) unterboten. Besser nennt man die Erfolge der Unionsparteien vom Sonntag also Pyrrhussiege.

Jahrzehntelang hatte die CSU quasi ein Monopol auf konservative Positionen in Bayern. Das Versprechen des langjährigen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben, hielt. Freilich immer nur so, dass die CSU rechte Positionen übernahm, wo es ihr für den Wahlerfolg opportun erschien.

Mit dem Einzug der Freien Wähler 2008 und der AfD 2013 und deren zunehmenden Wahlerfolge hat sich die Situation aber grundlegend geändert. Das kann auch für die kommenden Wahlen auf Bundesebene folgenreich sein. Markus Söder geht nicht darauf ein und betont die verblassenden Erfolge der Vergangenheit.

Dennoch ist der Elefant im Raum eigentlich unübersehbar: Beide Unionsparteien bekommen mit dem Erfolg der Freien Wähler auch auf Bundesebene in absehbarer Zeit Konkurrenz. Bei der letzten Bundestagswahl erreichte die CSU mit 2,4 Millionen Zweitstimmen 5,2 Prozent und zog damit in den Bundestag ein. Ihr Ergebnis in Bayern reichte, obgleich sie in allen anderen Bundesländern nicht antrat. Zugleich gewann sie bislang durch die vielen Direktmandate zusätzlich.

Die Freien Wähler erreichten bei der Bundestagswahl 2021 mit 1,1 Millionen Zweitstimmen 2,4 Prozent. Hubert Aiwanger, der nicht nur ihr bayerischer Landesvorsitzender, sondern auch Bundeschef ist, betonte dennoch am Sonntag und Montag seine bundespolitischen Ambitionen. Die sind nicht abwegig. Bei der Landtagswahl am Sonntag holte seine Partei allein in Bayern so viele Zweitstimmen wie 2021 bundesweit. Für das Überwinden der Sperrklausel für den Bundestag wären bei ähnlichem Ergebnis und ähnlicher Wahlbeteiligung wie in Bayern etwa 1,4 Millionen Stimmen aus den übrigen Ländern erforderlich, also im Durchschnitt 3,3 Prozent. In Hessen waren es am Sonntag 3,5, in Brandenburg erhielten die Freien Wähler bei der Landtagswahl 2019 sogar fünf Prozent der Stimmen und konnten in Fraktionsstärke ins Potsdamer Parlament einziehen. Zur Europawahl wäre die Sperrklausel mit wahrscheinlich 3,5 Prozent noch leichter zu überwinden.

Die CSU muss also befürchten, dass sie auf Bundesebene nicht mehr das Monopol auf die Vertretung Bayerns hat. Sie muss weiter befürchten, dass ihre Stimmen nur aus Bayern durch die Konkurrenz mit den Freien Wählern nicht ausreichen, um die Sperrklausel zu überwinden. Wird dazu, wie im Gesetz der Ampel zur Wahlrechtsänderung, gegen das mehrere Verfassungsklagen anhängig sind, die Direktmandatsklausel für Bundestagswahlen gestrichen, könnte die CSU nicht mehr im Bundestag vertreten sein und stattdessen möglicherweise die Freien Wähler. Auch für die gesamte Union wäre das gravierend. Die CDU kam zur letzten Bundestagswahl schließlich nur auf 18,9 Prozent.

Das Hauptproblem aber besteht im neuen rechtskonservativen Block, in dem die Rechtsaußenvertreter insbesondere der AfD zunehmend den Ton angeben. In Hessen kamen CDU, Freie Wähler und AfD am Sonntag zusammen auf fast 56 Prozent, eine Steigerung um 13 Prozentpunkte gegenüber 2018, von denen die meisten auf die AfD entfielen. In Bayern erreichten CSU, Freie Wähler und AfD zusammen gar 67 Prozent, von denen 30 auf die letztgenannten Parteien entfallen. Der Druck von rechts, den diese Gruppe entfaltet, wirkt sich mittlerweile sichtbar auch auf die Politik von SPD und Grünen aus, auf die der FDP schon lange.

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