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Das verflixte achte Blech
In den USA wird nicht nur um die Hochzeit, sondern auch um die Scheidung viel Tamtam gemacht
Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,
diesen Monat feiern mein Mann und ich Blechhochzeit. Übersetzung für normale Menschen, die nicht den halben Tag Zeit haben, um im Internet rumzugoogeln: Es ist das achte Jahr, das nach dem Verflixten. Das siebte ist wiederum das Jahr, an dem plötzlich Marilyn Monroe mit aufgeblasenem Rock auftaucht, um den Mann zu ködern (für die, die keine Zeit haben, Filme zu gucken). Hat man das überwunden, kommt das Blech. Eine deutsche Website rät, einander zum achten Hochzeitstag »nützliche Haushaltsgeräte aus Blech« zu schenken. Bitte? Dann doch lieber noch ein Jahr lang mit Marilyn herumschäkern.
Und nein, ich finde nicht, dass man unbedingt heiraten muss, um eine vollwertige Partnerschaft zu führen oder eine Familie zu gründen. Aber wertschätzen muss man uns Frauen in Beziehungen noch viel mehr, da sind wir uns hoffentlich einig (sonst gibt’s eins mit’m Blech). Die Amis sehen das achte Hochzeitsjahr zum Glück etwas rosiger als die Deutschen und nennen es bronzen. Wie Sie sich bestimmt schon denken können, wird hier um die Hochzeit und Ehe mehr Tamtam gemacht – vielleicht eine der sehr wenigen positiven Seiten des amerikanisch-fanatischen Christentums.
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
So kommt es, dass zwischen deutschen und US-Hochzeiten Welten liegen. »Welches Farbmotto hattest du auf deiner Hochzeit?«, fragte mich eine Freundin aus dem Nichts. Farbmotto? Ich wurde stutzig. Ich hatte weiß getragen. Das Hotel war irgendwie bunt gewesen. Aber die Tischdecken waren weiß gewesen. Die Gäste dagegen wieder bunt. Sie schaute etwas mitleidig. Hier gibt die Braut, die Brautmutter oder der Hochzeitsplaner, aber niemals der Bräutigam – es sei denn, es ist die Hochzeit eines homosexuellen Paares – ein Motto und eine Farbgruppe vor, an die man sich zu halten hat: Farben für die Brautjungfernkleider und Accessoires der Trauzeugen, die Einladungskarten, die Servietten, die Blumen, die Fotowand, die Gastgeschenke. Ich bin doch ein bisschen froh, dass wir in Deutschland geheiratet haben, denn ich könnte mich nie zwischen den Farben »Cremig Pfefferminz« und »Honigmelone« entscheiden!
Eine US-Hochzeit besteht auch aus viel mehr Teilen als bei uns. Es gibt nicht nur Junggesellenabschiede, sondern auch »Bridal Showers« – die etwas zahmere Version des Junggesellinnenabschieds, mit älteren weiblichen Familienmitgliedern, die der Braut unter starkem Alkoholeinfluss sexy Sachen für ihre Hochzeitsnacht schenken (also vielleicht doch nicht so zahm); es gibt Verlobungspartys und »Rehearsal Dinners«, bei denen man die Hochzeitszeremonie, meist am Abend vorher, samt Gästen, Reden und festlichem Dinner einstudiert. Kein Wunder, dass so viele Millennials an Burn-Out leiden: Diese wertvolle Lebenszeit kriegen sie nie zurück! Sie ahnen schon, dass die US-Amerikaner für ihre Hochzeit im Durchschnitt mindestens doppelt so viel wie die Deutschen ausgeben müssen, rund 30 000 Dollar. Deshalb machen viele US-Paare neuerdings »Destination Weddings«, also Hochzeiten im Ausland, meist in beliebten Touristenzielen. So sparen sie, indem sie die Gästeliste halbieren – denn sie verdoppeln die ohnehin hohen Kosten für die ohnehin in Krediten schwimmenden Geladenen. Die Location und Verpflegung fallen im Ausland ebenso billiger aus – und seien wir ehrlich, das Essen schmeckt überall besser als in den USA.
Und die Scheidungsrate? In Deutschland beträgt sie etwa 35, in den Vereinigten Staaten ganze 46 Prozent. Auch hierbei müssen die Amis wieder den Swag aufdrehen (das heißt extrem übertreiben, für alle, die keine Zeit haben, sich neudeutsches Vokabular anzueignen), denn Scheidungspartys sind der neueste Schrei; da werden Hochzeitskleider verbrannt und Drinks wie »Gin und Toxic« gebechert. Ich gehe außerdem stark davon aus, dass im partysüchtigen Amerika Wiederholungstäter viel verbreiteter sind. So kenne ich eine sehr attraktive ältere Dame, die fünfmal verheiratet war. Sie ist kein Filmstar, sondern einfache texanische Christin. Die Ehe ist zwar heilig, aber fünfmal 30 000 Dollar blechen, das ist eben gut für die Wirtschaft und damit echt patriotisch.
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