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Charme-Offensive für den Oderausbau

Bundesverkehrsministerium richtet Konferenz in Frankfurt (Oder) aus – Grüne protestieren gegen die Pläne

»Die Oder dient als internationale Binnenwasserstraße dem Verkehr mit Güter- und Fahrgastschiffen sowie der Sport- und Freizeitschifffahrt. Sie verbindet Wirtschaftsräume und ist gleichermaßen eine schützenswerte Flusslandschaft.« So heißt es in der Terminankündigung einer Konferenz, die an diesem Dienstag im Kleist-Forum von Frankfurt (Oder) stattfinden soll. Die Teilnehmer sollen sich auf eine Konferenz freuen, die Transparenz und Klarheit über die aktuelle Situation und die künftige Entwicklung an dem Abschnitt der Oder schaffe, der die Grenze zwischen Deutschland und Polen bildet. Das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) will mit der Tagung Raum bieten für einen offenen Dialog zwischen Behörden, Abgeordneten, Verbänden und weiteren Akteuren. Wissing selbst wird nicht erscheinen, jedoch seine Staatssekretärin Susanne Henckel. Angekündigt ist weiterhin Stefan Tidow, Staatssekretär von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne).

Der Konflikt ist absehbar. Denn Umweltministerin Lemke spricht sich angesichts eines massenhaften Fischsterbens im Sommer vergangenen Jahres dafür aus, den Ausbau der Oder zu stoppen. Dagegen ist die von Verkehrsminister Wissings Ressort ausgerichtete Konferenz nach Einschätzung der Brandenburger Landtagsabgeordneten Sahra Damus (Grüne) bedauerlicherweise nichts anderes als eine »Charme-Offensive für den Oderausbau«. Damus ruft dazu auf, vor dem Kleist-Forum dagegen zu protestieren. Grundlage für den Ausbau, der auf polnischer Seite bereits läuft, ist ein deutsch-polnisches Abkommen von Juni 2015. Der damalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte es unterschrieben.

Vordergründig geht es darum, die Anrainer vor Hochwasser zu schützen, wenn sich im Winter auf dem Fluss Eisschollen auftürmen und so eine Barriere bilden, die das Wasser anstaut. Dann müssen Eisbrecher in Aktion treten. Damit diese nicht auf dem Grund der Oder aufsetzen, brauche es überall eine Wassertiefe von mindestens 1,80 Meter – so werden die geplanten und zum Teil schon umgesetzten Baumaßnahmen begründet. Das Ausbaggern gehört dazu.

Die Grünen allerdings sehen die Notwendigkeit dafür nicht, zumal Politiker der bisherigen polnischen Regierungspartei PiS ziemlich offen durchblicken ließen, dass es ihnen darum gehe, die Oder im Interesse der Wirtschaft besser schiffbar zu machen. Dabei schlängelt sich der Strom bisher noch erstaunlich naturnah durch eine Auenlandschaft. Das ist ein in Mitteleuropa beinahe einzigartiger Schatz.

Nicht umsonst gibt es auf brandenburgischem Territorium den Nationalpark Unteres Odertal, geleitet übrigens von Dirk Treichel, der bei der Konferenz im Kleist-Forum zu Wort kommen soll –, ebenso wie Dorothe Herpertz von der Bundesanstalt für Gewässerkunde und Thomas Ehlert vom Bundesamt für Naturschutz. Diskutieren werden sie mit Sascha Meier vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) hat in Polen erst Widerspruch gegen den Oderausbau eingelegt und dann Klage eingereicht.

Das Oberverwaltungsgericht in Warschau verhängte einen Baustopp wegen nicht ausreichender Prüfung der Auswirkungen auf die Umwelt. Aber der zuständige polnische Minister scherte sich nicht darum und ließ die Baumaßnahmen frech weiterlaufen, obgleich die Weltbank und die Entwicklungsbank des Europarates ihre Finanzierung zurückzogen. Am Sonntag wählten die polnischen Bürger die PiS ab, worauf Brandenburgs Grüne gehofft hatten. Es muss sich zeigen, was das für den Oderausbau bedeuten wird.

Zu befürchten sei, dass die geplante Beseitigung von Schwachstellen im Hochwasserschutz die Lage keineswegs verbessern, sondern vielmehr verschlechtern, warnen die Grünen. Deren Landtagsfraktion gab zusammen mit der Bundestagsfraktion und vier grünen Europaabgeordneten ein Gutachten in Auftrag und stellte das gerade rechtzeitig fertig gewordene, 28 Seiten lange Papier am Montag vor. Die Würzburger Anwaltskanzlei Baumann ging der Frage nach, ob das deutsch-polnische Abkommen von 2015 aufgrund verschiedener Entwicklungen als verletzt oder gegenstandslos anzusehen sei und welche Handlungsmöglichkeiten bestehen, das Abkommen auszusetzen, nachzuverhandeln oder zu kündigen. Berücksichtigt wurde dabei ein erheblicher Zeitverzug. So seien einzelne Maßnahmen, die eigentlich bereits im Jahr 2018 abgeschlossen sein sollten, noch nicht einmal gestartet worden, heißt es.

Als »gegenstandslos« stufte Rechtsanwalt Eric Weiser-Saulin das Abkommen allerdings nicht ein. Er zeigte jedoch eine Verletzung vertraglicher Pflichten durch die Republik Polen auf. Und auch wenn dies nicht von einem solch erheblichen Gewicht sei, dass es eine Beendigung des Abkommens rechtfertige, sollten die Verstöße gerügt werden. Ob juristische Schritte folgen, sei auch mit Blick auf die gesamtpolitischen Beziehungen zu entscheiden. Anlass zum Nachverhandeln sieht Weiser-Saulin. Es bestünden zahlreiche Handlungsmöglichkeiten, »von denen bislang soweit ersichtlich noch kein Gebrauch gemacht worden ist«.

Die Landtagsabgeordnete Damus sieht es so: »Das Rechtsgutachten hat festgestellt, dass mit dem Ignorieren des Baustopps auf polnischer Seite eine gravierende Vertragsverletzung vorliegt. Die Baumaßnahmen sind damit illegal.« Dass dies bisher keine Konsequenzen nach sich ziehe, sei nicht hinzunehmen. Bei den Ausbauplänen habe man sich auf die Winterhochwasser konzentriert und Sommerhochwasser als Nebensächlichkeit abgetan und kaum untersucht.

Es sei nicht nachgewiesen, dass sich der Hochwasserschutz verbessern oder zumindest nicht verschlechtern würde. »Dies ist in Deutschland jedoch im Wasserhaushaltsgesetz vorgesehen«, betont Damus. »Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, wäre der Ausbau auch auf deutscher Seite rechtswidrig.« Die Abgeordnete forderte Minister Wissing auf, »rechtsstaatliche Prinzipien sowohl in Deutschland als auch in Polen ernst zu nehmen und endlich ein Moratorium zu erwirken«.

Der Bundestagsabgeordnete Jan Niclas Gesenhues (Grüne) warnte: »Bauliche Eingriffe zerstören Rückzugs- und Laichorte und bedrohen den einzigen Auennationalpark Deutschlands.« Und seine Parteifreundin, die Europaparlamentarierin Hannah Neumann, ergänzte: »Beim Containerhafen Świnoujście sehen wir leider ein ganz ähnliches Problem. So wurde der Hafenbau kürzlich in Polen genehmigt, obwohl die grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung noch läuft.« Hierfür dürfe es keine EU-Fördermittel geben.

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