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Knockout 51: Rechte Hegemoniebestrebungen vor Gericht

Seit August müssen sich Mitglieder der Neonazi-Gruppe Knockout 51 vor dem Thüringer Oberlandesgericht verantworten.

  • Kai Budler
  • Lesedauer: 3 Min.

Rund acht Wochen nach dem Auftakt vor dem Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena hat das anfängliche Medieninteresse an dem Verfahren gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Gruppe Knockout 51 spürbar abgenommen. Zum Termin am 25. Oktober bleiben die meisten für die Presse reservierten Plätze im Staatsschutzsaal bleiben unbesetzt, wenn die vier Angeklagten nacheinander in Handschellen in den ersten Stock des Gerichts gebracht werden.

Die Sicherheitsbestimmungen sind hoch, im Saal trennt eine doppelte Reihe Polizist*innen den Zuschauerbereich von dem der Staatsschutzkammer. Die vier Angeklagten geben sich unbeeindruckt, grinsen und winken ihren Unterstützerinnen im Publikum zu.

Derweil setzt das Gericht die Zeugenbefragungen zu den jeweiligen Tatvorwürfen fort. Denn es geht nicht nur um die Bildung bzw. Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Den Männern werden auch 14 Fälle von gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Waffenrecht vorgeworfen.

Das ist Knockout 51?

Als »Ordnungsmacht« habe die Gruppe im von ihren Mitgliedern als »Nazi-Kiez« bezeichneten Stadtgebiet im Eisenacher Osten agiert, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft. Sie betreibt offenkundig Landnahme in der Region durch gewaltsane Durchsetzung rechter Hegemoniebestrebungen und dem Aufbau einer Drohkulisse. Die konkreten Auswirkungen werden vor Gericht deutlich.

In ersten Vernehmungen durch BKA-Beamte hatten die Betroffenen ausgesagt, sie hätten im Alltag vor den Neonazis Angst, großen Respekt vor der »Schlägertruppe« und würden eher »einen von denen anrufen« als die Polizei. Man wisse schließlich, »was die Jungs können«, denn Knockout 51 habe in Eisenach »das Sagen«. Ein heute 22-jähriger Zeuge hatte seine Zurückhaltung bei der BKA-Vernehmung damit erklärt, dass er in der Stadt leben wolle, »ohne tyrannisiert zu werden«.

Ein weiterer Betroffener hatte den Beamten gesagt, er habe keine Angst vor den Festgenommenen, sondern vor den Mitgliedern der Gruppierung, die auf freiem Fuß sind. Daher fürchte er sich vor einer Zeugenaussage im Prozess.

Dort revidieren die meisten Zeugen vorherige Angaben oder nehmen ihr Auskunftsverweigerungsrecht in Anspruch. Während die Verhandlungstage mit den Zeugenvernehmungen eher schleppend verlaufen, werden in der Öffentlichkeit nun Verbindungen von Knockout 51 zur Eisenacher Polizei diskutiert.

Unter einer Decke mit der Polizei?

»nd« hatte bereits Ende August darüber berichtet, dass ein Polizeibeamter noch im Februar 2022 offenbar Informationen an den Kreis der jetzt Angeklagten weitergegeben hatte. Nun fragte die Thüringer Landtagsabgeordnete der Linken, Katharina König-Preuß, Innenminister Georg Maier nach möglichen Verbindungen. Sie wollte wissen, ob Thüringer Polizeibeamt*innen Informationen an Knockout 51 weitergegeben haben, und weist darauf hin, dass mindestens ein Mitglied der Gruppierung Polizeianwärter in Thüringen gewesen sei.

Antworten aber unterblieben mit Hinweis auf angebliche Staatsgeheimnisse oder »schutzwürdige Interessen Einzelner«. Dies gelte auch für noch laufende Ermittlungsverfahren, die »Auskünften und Datenübermittlungen entgegenstehen«, so Staatssekretärin Katharina Schenk. Gegen die vier Beschuldigten sind die Ermittlungen zwar spätestens seit der Anklageerhebung abgeschlossen. Gegen zehn weitere Personen aber wird weiter ermittelt, ihre Verfahren wurden abgetrennt.

Unter diesen »gesondert Verfolgten« befindet sich auch Patrick W., Bundesorganisationsleiter und Landesvorsitzender der in Die Heimat umbenannten NPD. Nur wenige Stunden nach einem Überfall auf die vom Hauptangeklagten Leon R. betriebene Neonazi-Gaststätte in Eisenach 2019 hatte W. bereits in sozialen Medien die Vor- und Nachnamen von fünf vermeintlichen Tatverdächtigen verbreitet. Er hatte diese offenbar vom Angeklagten Bastian A. erfahren.

Der heute 23-Jährige hatte die sensiblen Daten während seiner Zeugenvernehmung bei der Polizei erfahren. In deren Räumlichkeiten konnte er Aktenteile mit den Namen der Tatverdächtigen abfotografieren und sie in der Neonaziszene weiterverbreiten. Zu den Empfängern gehörte auch Patrick W.

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