Gaza offiziell »Schlachtfeld«

Israel intensiviert Kämpfe im Gazastreifen, Organisationen warnen vor Chaos

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Tel Aviv/Gaza. Israels Militär greift die Palästinenserorganisation Hamas im Gazastreifen verstärkt am Boden und aus der Luft an. Am Sonntagmorgen gab die Armee bekannt, dass Kampfflugzeuge am Vortag mehr als 450 Ziele bombardiert hätten. Die Angriffe hätten »Terrorzellen« gegolten. Auf Flugblättern, die über dem Gazastreifen abgeworfen wurden, werden Zivilisten aufgefordert, »unverzüglich« in Richtung Süden zu flüchten. Gaza-Stadt und Umgebung seien zu einem »Schlachtfeld« geworden, hieß es darin. Die Schutzräume in dieser Zone seien »nicht sicher«.

Saudi-Arabien verurteilte »jegliche Bodenoffensiven« Israels im Gazastreifen. Das islamische Königreich sprach von einem »eklatanten Bruch und einem ungerechtfertigten Verstoß gegen internationales Recht«. Irans Präsident warnte, Israel habe mit den Angriffen auf Gaza rote Linien überschritten. Katar und Ägypten sind als Vermittler an Bemühungen zur Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln beteiligt. Vor der Ausweitung der israelischen Bodeneinsätze hatte es Berichte über angebliche Fortschritte gegeben.

Die UN-Vollversammlung in New York hatte am Freitag mit großer Mehrheit eine »sofortige humanitäre Waffenruhe« im Gazastreifen gefordert. Bei einer Dringlichkeitssitzung stimmten von den 193 Mitgliedstaaten der Uno 120 Staaten für die Resolution, 14 Staaten votierten dagegen, 45 Staaten enthielten sich.
Bei der Abstimmung zeigte sich auch die unterschiedliche Haltung westlicher Länder zu Israels Vorgehen nach dem Hamas-Angriff im Gazastreifen: Während Frankreich für die Resolution stimmte, enthielten sich Deutschland, Italien und Großbritannien der Stimme. Österreich und die USA dagegen votierten gegen den Text. Dieser wurde von Israel scharf kritisiert, die Hamas wie auch die Türkei dagegen begrüßten seine Verabschiedung.

Wegen der zunehmenden Kritik Ankaras an Israels Vorgehen im Gazastreifen will die israelische Regierung ihr diplomatisches Personal aus der Türkei abziehen. Angesichts der »schwerwiegenden Äußerungen aus der Türkei« habe er die Rückkehr der diplomatischen Vertreter angeordnet, erklärte der israelische Außenminister Eli Cohen am Samstag. Dieser Schritt sei nötig, um eine »Neubewertung der Beziehungen zwischen Israel und der Türkei vorzunehmen«. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Israel am Samstag bei einer Kundgebung seiner konservativ-islamischen Partei AKP in Istanbul »Kriegsverbrechen« vorgeworfen. In der radikalislamischen Hamas hingegen sehe er keine Terrororganisation, sondern eine »Gruppe von Befreiern«, die ihr Land verteidige, hatte Erdoğan zuvor erklärt.

Hilfsorganisationen zufolge herrscht unter der Zivilbevölkerung in Gaza Panik und Chaos. Laut dem UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA sind im zentralen und südlichen Gazastreifen tausende Menschen in Lager- und Verteilhäuser für Hilfsgüter eingebrochen. Die zivile Ordnung breche nach drei Wochen Krieg und einer festen Belagerung Gazas langsam zusammen, warnte Thomas White, UNRWA-Leiter in Gaza.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sieht die militärische Strategie der vergangenen Wochen als erfolgreich an. Die massiven Luftangriffe hätten der Hamas einen »schweren Schlag« versetzt, sagte Netanjahu in Tel Aviv. Allerdings werde der Krieg »schwierig und langwierig«.

Netanjahu hat sich am Sonntag für Vorwürfe gegen den Geheimdienst entschuldigt, ihn nicht vor Kriegsabsichten der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation Hamas gewarnt zu haben. Anders als führende Repräsentanten von Militär, Geheimdienst und Verteidigungsminister Joav Galant weigert sich der Ministerpräsident bisher beharrlich, eine Mitverantwortung für das Versagen am 7. Oktober einzugestehen.

Die Kassam-Brigaden, der bewaffnete Arm der Hamas, haben Israel indes am Sonntag erneut mit Raketen angegriffen. Im Großraum Tel Aviv und im Grenzgebiet zum Gazastreifen gab es Raketenalarm. nd/ Mit Agenturen

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