Ist Vater Ingebrigtsen ein Schleifer-Trainer?

Drei Söhne sind in die Laufelite der Welt vorgestoßen, veröffentlichten nun aber Gewaltvorwürfe gegen ihren Vater

Gjert Ingebrigtsen
Gjert Ingebrigtsen

Immer wenn einer seiner Söhne zu Gjert-Arne Ingebrigtsen kam und sagte, er wolle Europameister oder Olympiasieger werden, soll der Vater geantwortet haben: »Dabei kann ich dir helfen, aber dann musst du auch alles tun, was ich dir sage.« Dieser Satz des heute 57-jährigen, über die Grenzen Norwegens berühmte Leichtathletiktrainer sollte immer zwei kritische Fragen zugleich beantworten: Die nach dem freien Willen und dem Durchsetzen von Disziplin. Seine Söhne Jakob, Filip und Henrik hat er zu Medaillengewinnern geformt. Seit zwei Jahren wollen die Brüder im Alter zwischen 23 und 32 Jahren aber nichts mehr mit ihm zu tun haben. Nun ist auch klar, warum: Sie erklärten öffentlich, dass Vater Gjert »körperliche Gewalt und Drohungen« im Training eingesetzt hatte.

Ingebrigtsen war nie ausgebildeter Trainer. Er soll heute noch in Sandnes nebenher als Logistikmanager arbeiten. Das sportliche Know-how eignete er sich selbst an. Schwellentraining sei sein Erfolgsgeheimnis für die Leichtathletik, schrieb er in Büchern. Über Jahre wurden Vater und Söhne sogar in einer TV-Doku begleitet. Seine Söhne meinen nun, es steckte auch viel unangemessener Drill dahinter. Methoden, die als streng durchgingen, als der Vater klein war, mit modernem Training aber nichts mehr zu tun haben und eher als Missbrauch Schutzbefohlener angesehen werden. Die Entwicklung geißeln manche als Verweichlichung der Gesellschaft. In Zeiten von Selbstbestimmung und gewaltfreier Erziehung ist sie jedoch auch im Sport nur folgerichtig.

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Gjert Ingebrigtsen streitet die Vorwürfe ab und bedauert, dass familiäre Angelegenheiten nun Teil der Öffentlichkeit sind. Dabei hat er den Weg in die Medien stets selbst gesucht, vor allem um Sponsoren zu finden. Er trainiert noch immer Läufer, der norwegische Verband hat aber schon jetzt erklärt, ihn im Falle einer Qualifikation seiner Schützlinge nicht für Olympia in Paris zu akkreditieren. Goldfavorit Jakob Ingebrigtsen dürfte froh sein, seinem Vater im Olympischen Dorf nicht über den Weg laufen zu müssen.

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