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Schwimmen in Berlin: Frauentag im Stadtbad Neukölln
Über Wasser: Wie die wundersame Halle fast vom Sport ablenkt
»Ich will nur mal was fragen.« Für einen Moment wird es still. Ein weißhaariger Herr schaut durch eine Schwingtür in die Vorhalle des Stadtbades, wo sich eine Schlange von etwa vierzig Frauen um die Säulen windet. Das bärtige Gesicht verschwindet, der Bienenstock erwacht wieder zum Leben.
Anne Hahn ist Autorin von Romanen und Sachbüchern und schwimmt für »nd« durch die Gewässer der Welt.
Letzter Oktobermontag, Berlin Neukölln. Ich laufe kurz vor zwölf über die Flughafenstraße, an Barbershops, Trödlerläden, Schneidereien und einer Moschee vorbei. Afro-Shop, Bergklause, Zeugen Jehovas, Optiker, Juwelier, Synthesizer-Apotheke, Humana-Kaufhaus. Trinker, Tauben, Hunde, Frauen mit und ohne Kopftuch, Männer mit und ohne Gebetskette – in einer Nebenstraße das riesige Stadtbad. Davor lange Gesichter. »Aus technischen Gründen erst ab 14 Uhr geöffnet« verkünden Zettel.
Also zurück auf die Richardstraße, Rixdorf wollte ich mir schon immer mal anschauen. Eine Puppenklinik, eine biografische Bibliothek, gegenüber die Baptisten-Gemeinde, im Fenster die neonfarbene Laufschrift: Niemand kommt zum Vater als nur durch mich. Immer kleinere Häuser, sogar einstöckig. Ein Scheunentor, ein Lattenzaun mit dem Graffito »Jugend, Zukunft, Sozialismus!« Fenster mit Holzläden, Geranien, Weinlaub, Sonnenschein. Rechts Gründerzeithäuser, eins mit leuchtend hellblauen Balkongittern. Die Villa, die Schmiede, ein Denkmal für König Wilhelm I., der einst mehr als tausend Böhmen aufnahm. Auf einem Hof der Böhmischen Straße wird ein Tier gegrillt, eine Autobatterie betreibt den Drehspieß über einem Blech mit Grillkohle.
Um zwei am Stadtbad: ein Haufen Wartende. Wir ruckeln rein, Frauen, Mädchen, Kleinkinder. Montags ist Frauenschwimmen, mit Sauna kosten drei Stunden 16 Euro. Das Bad, nach dem Vorbild antiker Thermen erbaut und seit 1914 in Betrieb, öffnet sich in ein hohes Foyer mit geschwungenen Treppen, Wandbildern und Oberlicht. Zwei Frauen beten auf einem Handtuch, die Gruppe Kopftuch-Mädchen aus der Schlange vor mir zieht kichernd die breite Treppe mit dem goldenen Messinggeländer hinauf.
Die Gänge Verwirrspiel, die Duschen nur Plätscherstrahlen, zu heiß oder zu kalt. Plötzlich die lichtgeflutete große Säulenhalle: brauner Mini-Kachel-Boden, Halbkuppel mit Mosaiken, zwei Walrosse aus Bronze am Beckenende. Im Becken sind zwei Schwimmhälften geleint, von der Spielfläche abgetrennt. Die Mädchen haben sich in Schwimmerinnen mit schwarzen Ganzkörperanzügen verwandelt. Sie tragen im Wasser einander auf den Schultern und kämpfen, oder schwimmen um die Wette. Gekreischt wird unablässig. Ein kleiner Junge mit Schwimmflügeln starrt die Mädchen an, während ein Walross ihn mit Wasser bespuckt. Die männlichen Bademeister lächeln milde.
Die wundersame Halle lenkt mich vom Schwimmen ab. Habe ich jetzt alle Mosaike betrachtet, sind die metallenen Tentakelarme am Beckenrand nicht uralt und die eingravierten Zahlen original? Als ich am Walross verweile, bestaune ich eine Frau im elegant schwingenden Badekostüm und möchte mir die Ohren zuhalten: Die Mädchen entschließen sich gerade lautstark, zwischen ausdauernd Schwimmenden aller Altersklassen ein Rennen auszutragen.
Im Obergeschoss des Bades mäandert die russisch-römische Badeanlage, mit finnischer-, Dampf- und Kräutersauna, einem Kuppelraum mit Eis- und rundem Badebecken, mehreren Ruhesälen und einer Dachterrasse. Schockverliebt stehe ich später in der U-Bahnstation Rathaus Neukölln und grinse ein Wandbild an, das die Berliner Bäderbetriebe gestiftet haben – den Kuppelraum mit seinen Mosaiknischen.
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