René Benkos Immobilienreich wankt

Große Baustellen der Signa-Gruppe in Luxuslagen stehen still. Ein Insolvenzexperte soll helfen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Baustelle des Carsch-Hauses in Düsseldorf. Auch hier stocken die Arbeiten.
Baustelle des Carsch-Hauses in Düsseldorf. Auch hier stocken die Arbeiten.

Bundeskanzler Olaf Scholz ließ einst den roten Teppich für René Benko ausrollen. Der damalige Hamburger Bürgermeister ebnete dem österreichischen Immobilieninvestor den Weg zum Elbtower-Grundstück in der Hansestadt. Mit 245 Metern Höhe soll hier neben den Elbbrücken einer der spektakulärsten Wolkenkratzer in Deutschland entstehen. »Jetzt drohen Scholz und Senat auf diesem Teppich auszurutschen«, sagt Heike Sudmann, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linken in der Bürgerschaft. In Hamburg ruhen nämlich seit Tagen die Arbeiten an dem halbfertigen Prestigeprojekt von Benkos Signa-Gruppe. Kein Einzelfall: An vielen prominenten Plätzen in deutschen Großstädten wie Düsseldorf stehen Baustellen still.

Auch in Berlin hatten Politiker dem Investor einen roten Teppich ausgerollt. Trotz des schlechten Rufs, der dem Immobilienkönig seit langem vorauseilt. Branchenkenner beschreiben ihn als »charmanten Blender« oder in Anspielung an den gescheiterten Geldgeber des Fußballvereins Hertha BSC als »zweiten Windhorst«. Ein Wiener Gericht verurteilte den Österreicher 2012 wegen Korruption zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung. Als das Urteil zwei Jahre rechtskräftig wurde, zog sich Benko aus der ersten, operativen Reihe seiner Signa-Holding zurück.

17-jährig war er ohne Matura (Abitur) vom Wirtschaftsgymnasium abgegangen. Für einen Projektentwickler entrümpelte er lieber Dachgeschosse in exklusiven Innsbrucker Innenstadtlagen. 2001 investierte ein reicher Tankstellenerbe Millionen Euro in eine von Benko gegründete Immobilienfirma. Auch seinen weiteren Aufstieg zum Selfmade-Milliardär finanzierte dieser mit dem Geld von reichen Investoren und Banken. Sein Imperium auf Pump nannte er Signa (lat.: Zeichen). Es fußt heute auf Immobilien, Handel und, weniger bekannt, auf Medien. Über eine Partnerschaft mit der deutschen Funke-Gruppe erwarb Benko Anteile an den großen österreichischen Blättern »Kronen-Zeitung« und »Kurier«. Als er 2014 die bereits angeschlagene Warenhauskette Karstadt übernahm und diese später zu Galeria-Karstadt-Kaufhof fusionierte, warnten Gewerkschafter, dass es Benko nur um das Ausschlachten der Bestandsimmobilien des Warenhauskonzerns gehe. Ein Verdacht, der bis heute im Raum steht.

Im Februar geisterten dann erste Gerüchte über eine Schieflage der Signa-Holding herum. Sie verdichteten sich, als im Sommer die Europäische Bankenaufsicht Kreditinstitute nach ihren Engagements bei Signa befragte, was als Warnung vor zu hohen Beteiligungen an Benkos Geschäften verstanden wurde. Zuletzt hat Signa sogar Beteiligungen verkauft, darunter die Hälfte des Berliner Luxuskaufhauses Kadewe, das im Bau befindliche Bürohochhaus »Mynd« am Alexanderplatz und die Handelskette Sport-Scheck. Im Oktober meldete dann die Tochtergesellschaft Signa Sports United Insolvenz an, zu der unter anderem die Händler Tennis-Point, Fahrrad.de und Outfitter gehören.

Die Turbulenzen ausgelöst hat das Ende des Immobilienbooms in vielen Ländern. Heftige Abwertungen des Signa-Portfolios bei gleichzeitig steigenden Zinssätzen für Kredite dürften zu Abschreibungen und herben Verlusten geführt haben. Laut österreichischen Medien soll die Holding im vergangenen Geschäftsjahr gut eine halbe Milliarde Euro Verlust verbucht haben.

Wie es um die Signa-Gruppe wirtschaftlich genau steht, bleibt für Außenstehende weiterhin unklar. Da keine Börsennotierung und auch keine Bewertung einer Ratingagentur vorliegen, wie sie für ein derart großes Immobilienimperium in Europa üblich wären, bleibt Benkos wankendes Reich intransparent. Zu unübersichtlich ist das Firmengeflecht. Allein die Immobiliensparte Signa Prime soll 265 Gesellschaften in Österreich, Deutschland, Italien, Luxemburg und der Schweiz umfassen. Signa selbst beziffert auf der eigenen Internetseite den Wert der Immobilien sowie der in Bau befindlichen Projekte auf 52 Milliarden Euro.

Benkos Kartenhaus könnte auch die bedeutendste Warenhauskette Deutschlands und die zweitgrößte in Europa in Gefahr bringen. Das Insolvenzverfahren von Galeria ist erst seit Juni beendet. Ob Benko weitere Zahlungen leisten kann, wie sie der Insolvenzplan vorsieht, ist ungewiss.

Allein die Signa-Immobiliensparte hat offenbar milliardenschweren Finanzbedarf, vermuten Beobachter. Und so wächst auch der interne Druck auf den Milliardär. Gesellschafter Hans Peter Haselsteiner sagte am Wochenende dem Radiosender Ö1, Benko habe signalisiert, sich als Vorsitzender aus dem Beirat der Signa Holding GmbH zurückzuziehen. Der 46-Jährige sei grundsätzlich bereit, seine Stimmrechte einem Sanierer zu übertragen. Um weitere Insolvenzen zu verhindern, soll Arndt Geiwitz, der bereits das Galeria-Insolvenzverfahren abwickelte, als Generalbevollmächtigter Signa aus der Existenzkrise führen.

Benko selbst hält über Stiftungen die maßgeblichen Beteiligungen an Signa. Die Geldgeber, darunter erfahrene Unternehmer wie Klaus-Michael Kühne und Beraterlegende Roland Berger, führende Banken und Versicherungen, scheinen optimistisch, dass die angefangenen Neubauten, die sich häufig in besten Lagen befinden, notfalls auch von anderen zu Ende gebaut werden. Einige Analysten sehen allerdings Parallelen zum Insolvenzfall des Filmmoguls Leo Kirch oder zur Wirecard-Pleite. Kanzler Olaf Scholz könnte nun auf die Füße fallen, dass er einst den roten Teppich für Benko ausrollte.

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