Stadtwerke München verdienen im Havelland Geld

Verspargelung der märkischen Landschaft mit Windrädern soll sich für die Anwohner lohnen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit Jahren zahlen Brandenburger die höchsten Strompreise in ganz Deutschland. Das ist, so paradox das klingt, eine direkte Folge des Ehrgeizes der Landesregierung, bei den erneuerbaren Energien ganz weit vorn mitzuspielen. Nun sollen zumindest jene finanziell beteiligt werden, die im Schatten neu zu bauender Windkraftanlagen und neben Solarfeldern leben müssen. Für die anderen könnte das allerdings noch teurer werden. Das wurde deutlich, als am Mittwoch in der Potsdamer Staatskanzlei die Halbzeitbilanz der 15 »Schlüsselvorhaben zur Umsetzung der Regionalentwicklungsstrategie« vorgestellt wurde.

Die Stadtwerke München betreiben im Landkreis Havelland 81 Windräder. Fern von Bayern verdient die bayerische Hauptstadt auf diese Weise ein schönes Stück Geld. Die Last des hohen Geräuschpegels, die Naturzerstörung, die Sichtbeeinträchtigung und tote Vögel betreffen die Brandenburger. Für München gibt es alljährlich ein hübsches Sümmchen. Für die Stadtwerke ist das eine saubere Sache.

Brandenburgs Staatssekretärin Friederike Haase schilderte am Mittwoch die Nachteilslage, in die ihr Bundesland geraten war, indem es beim Ausbau der erneuerbaren Energie seit 15 Jahren vorangegangen ist. Die Nachteile entstehen demnach durch die Regelung zu den Netzentgelten, die Länder mit viel Wind- und Solarenergie schlechter stellen. Seit Jahren erklärt die Landesregierung, dass sich daran etwas »ändern müsste«. Nur es geschieht nicht.

Allenthalben drehen sich hierzulande Windräder, während man in Bayern kaum eins sieht. Ja, die Energie sei für den Brandenburger »furchtbar teuer«, bestätigte die Staatssekretärin. Vor dem Hintergrund, dass ein massiver Ausbau beschlossen ist, sei die Frage zu stellen: »Wie nehme ich die Bürger mit?« Die von ihr präsentierte Lösung: Menschen und Kommunen, die mit dem Unbill der Anlagen für »erneuerbare Energie« leben müssen, sollen zumindest finanziell entschädigt werden. Unter dem Namen »Bürgerenergie« stellte Frank Baumann, Regionalmanager einer lokalen Aktionsgruppe, ein Beispiel vor. Nachahmen wolle man westdeutsche Beispiele, wo über die Flächenverpachtung erzeugte erneuerbare Energie gleich auch vor Ort verbraucht werde und die betroffenen Kommunen Geld erhalten.

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Der Rhinower Amtsdirektor Jens Aasmann sprach davon, über den Ausbau von Wind- und Solaranlagen »die Wertschöpfung in der Region zu halten«. Für drei Jahre auf Probe werde eine Beratungsstelle eingerichtet – eine »Anlaufstelle für Private und Kommunen« mit dem Aufgabenspektrum: Strategieberatung, Ausbau Bürgerenergie, Servicestelle Solar, Potenzialanalyse.

»Den Menschen muss es nützen«, sagte Staatssekretärin Haase. Wenn bei jeder Windradumdrehung ein halber Cent Nutzen herausspringe, dann werde der Blick der Anwohner auf diese Anlage freundlicher sein, hofft sie. Indem man für den lokalen Strommarkt produziere, werde man unabhängiger von Krisen anderswo sein. Natürlich sind Wetterlagen denkbar, bei denen keine Sonne scheint und kein Wind weht und keine einzige Kilowattstunde Strom erzeugt wird, bestätigte sie. Und was dann? Hier müsse die »Speicherung« einspringen.

Es wäre aber vermessen zu sagen, dass die Speicherung erneuerbarer Energie in Brandenburg auch nur in den Kinderschuhen steckt. Es gibt sie praktisch nicht, im erforderlichen riesigen Umfang schon gar nicht. Bereits vor 15 Jahren sagte der damalige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke): »Ja, ich unterstütze die Wende hin zu den erneuerbaren Energien. Wenn wir aber in zehn Jahren nicht das Problem der umfassenden Speicherung von Elektroenergie gelöst haben, dann haben wir mit Zitronen gehandelt.«

Die hohen Stromkosten in Brandenburg entstehen unter anderem auch deshalb, weil Windkraft und Solarstrom auch dann abgenommen und bezahlt werden müssen, wenn er gar nicht gebraucht wird. Müsste dieses Problem mit mehr Anlagen nicht noch größer werden? Die kommunalen Nutznießer der Anlagen könnten mit ihren Erlösen höhere Stromkosten bezahlen, lautete die Antwort. Sorgenfalten hätte dann derjenige, in dessen Nähe kein Windrad und keine Solarpark stehen.

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