Südlicher Judenhass

Bei der Begeisterung der Kunstwelt für den Globalen Süden ist Vorsicht geboten

Die sechsköpfige Findungskommission der Documenta ist zurückgetreten. Der Arbeitsprozess sei unter dem Eindruck der Terrorattacken der Hamas, von wachsendem Antisemitismus in Deutschland und polarisierten Debatten immer mehr unter Druck geraten, hieß es. In einem »Letter of Resignation« befürchten die Mitglieder der Kommission den Verlust der Kunstfreiheit in Deutschland.

Man mag sich berechtigterweise fragen, warum die Kunstwelt überhaupt so viel mit dem Nahost-Konflikt zu tun hat. Das war schließlich nicht immer so. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich stellt mit der zunehmenden Politisierung der gegenwärtigen Kunst das »Ende ihrer Autonomie« fest. Immer mehr Künstler prangern soziale Missstände an, sind dabei oft auf den Globalen Süden fokussiert. Westlichen Narrativen und Ästhetiken sollen solche aus jenen Regionen entgegengesetzt werden, die vom Westen ökonomisch ausgebeutet und kulturell überformt werden.

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Kein schlechter Ansatz. Der Haken: Viele Länder der sogenannten Dritten Welt sind alles andere als israelfreundlich – und Antisemitismus ist dort nicht selten virulent. So unterhält etwa Indonesien, das größte muslimische Land der Welt, keine diplomatischen Beziehungen zum jüdischen Staat, Judenhass ist dort weitverbreitet. Dass Mitglieder von Ruangrupa, dem indonesischen Künstlerkollektiv, das letztes Jahr die Documenta kuratierte und für einen Antisemitismusskandal sorgte, in sozialen Medien offen mit der Hamas sympathisierten, überrascht vor diesem Hintergrund vielleicht gar nicht so sehr.

Generell wird der Konflikt zwischen Israel und der Hamas im Süden deutlich anders bewertet als im Westen. So hatte die Afrikanische Union nach den Massakern der Hamas am 7. Oktober »die Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes« als »Hauptgrund« des Konflikts angeführt und damit einseitig Position bezogen. Kunstinstitutionen hierzulande, die sich für den Globalen Süden begeistern, müssen diesen Umstand reflektieren, wenn sie nicht wieder ins offene Messer laufen wollen.

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