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Von Blaubüchern, Roten Listen und vielen Briefen

Wie geht’s weiter mit dem Rheinsberger Tucholsky-Museum?

  • Vincent Sauer
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass der Haushalt der Stadt Rheinsberg eine Rolle für das antifaschistische Erbe und die Literaturvermittlung als Antidot zum allgemeinen Rechtsruck spielt, darauf wären bis Ende Oktober die wenigsten gekommen. Den Freien Wählern war gelungen, eine Stelle ab März 2024 aus dem Haushalt der Stadt zu streichen: Es sollte kein Geld mehr geben für eine wissenschaftliche Leitung des Kurt-Tuchsolsky-Literaturmuseums. Stattdessen, so der Plan, würde die Einrichtung einfach von der Tourist Info Rheinsberg übernommen werden.

Dort arbeitet Daniel Pommerencke, AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag, der kein Interesse haben dürfte, Tucholskys Andenken zu wahren, war der doch entschiedener Gegner des NS mit satirischer Brillianz. Dass durch heftigen Kulturschwund plötzlich große Summen für Infrastruktur locker gemacht werden könnten, ist Unfug, wie Freeke Over darlegt. Der ehemalige Hausbesetzer ist mittlerweile Fraktionsvorsitzender der Linken im Landkreis Ostprignitz-Ruppin. Das Museum bringt Leute in die Stadt, sorgt für Tourismus, soll jetzt als Sündenbock für allerlei Versäumnisse herhalten. Die Freien Wähler hatten schon oft die vollständige Schließung gefordert.

Das Tucholsky-Literaturmuseum leitet seit 1993 Peter Böthig. Aus einer kleinen Sammlung im Schloss Rheinsberg hat er eine deutschlandweit bekannte Institution gemacht. Mit geringen finanziellen Mitteln gelang ihm, dass ein richtiges Museum entsteht. Lesungen finden hier statt; es gibt eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen; zu Tucholsky wird geforscht; ein Stadtschreiber-Stipendium bringt allerlei namhafte Autoren nach Rheinsberg.

Seit beinahe 20 Jahren steht das Museum im Blaubuch der Bundesregierung und ist damit »kultureller Gedächtnisort mit nationaler Bedeutung«. Und nun setzte der Deutsche Kulturrat das Tucholsky-Literaturmuseum auf seine Rote Liste bedrohter Kultureinrichtungen; Artenschutz wurde nötig. Aber dann setzte Widerstand ein: Nachdem – kurioserweise – die Musikzeitschrift »Diffus« über den Fall einen Artikel schrieb, berichteten mehrere lokale Blätter und die »Berliner Zeitung«, ein Interview im DLF mit Böthig kam zustande. Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste, richtet sich an Rheinsbergs Bürgermeister Frank-Rudi Schwochow (Freie Wähler): Das Museum sei ein »Juwel, das weltweit kein Pendant kennt.« Arne Lindemann vom Museumsverband des Landes Brandenburg schrieb in seinem Brief an Schwochow von »kultureller Daseinsfürsorge«. Außerdem sammelte man mehrere hundert Unterschriften für den Erhalt der Stelle.

Nun wurde ein Konzept entwickelt, wie der Landkreis die Stadt bei der Finanzierung des Museums so entlasten kann, dass eine Stelle für die wissenschaftliche Leitung bestehen bleibt und das Haus nicht parteipolitisch fragwürdiger Tourismus-Verwaltung unterstellt wird. Am 30. November stimmt der Kreistag ab, am 18. Dezember sind die Stadtverordneten dran.

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