Mit »Chemotherapie« gegen Geflüchtete

Ex-Verfassungsschutzpräsident, CDU und CSU fordern weiteren Grundrechteabbau

Von der Nichtregierungsorganisation Open Arms aus italienischen Gewässern gerettete Menschen: Akteure wie Hans-Georg Maaßen stellen Schutzsuchende als anonyme, gesichtslose Masse und als gefährliche »Krankheit« für das deutsche Volk dar.
Von der Nichtregierungsorganisation Open Arms aus italienischen Gewässern gerettete Menschen: Akteure wie Hans-Georg Maaßen stellen Schutzsuchende als anonyme, gesichtslose Masse und als gefährliche »Krankheit« für das deutsche Volk dar.

Erst jetzt ist die neueste verbale Entgleisung von Hans-Georg Maaßen, Ex-Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bekanntgeworden. Die rechtspopulistische Schweizer »Weltwoche« hatte bereits vor zehn Tagen einen Artikel von ihm unter dem Titel »Chemotherapie für Deutschland« veröffentlicht. Darin fordert Maaßen, gegen den die CDU ein bislang erfolgloses Ausschlussverfahren angestrengt hat, »schmerzhafte« Maßnahmen gegen die »Migrationskatastrophe«.

Er vergleicht Zuwanderung und Flucht nach Deutschland mit der Krebserkrankung, an der eine Cousine von ihm verstarb – weil sie einer Chemotherapie nicht zustimmte. Das extrem rechte deutsche Medium »Compact« feierte ihn für seine Darstellungen am Wochenende: Maaßen habe »einen Ton angeschlagen, den sich noch nicht einmal AfD-Politiker getrauen würden«. Weiter konstatiert das Magazin: »Die Metapher ist heftig: Denn im Rückschluss bedeutet dies, dass das angesprochene Problem wie ein wucherndes Krebsgeschwür anzusehen ist.«

Das »Team Maaßen« beklagte sich am Montag im Onlinedienst X, früher Twitter, genau über solche Vergleiche – und über eine angebliche Kampagne von links gegen den CDU-Mann, der in Südthüringen bei der jüngsten Bundestasgwahl als Direktkandidat aufgestellt worden war. Die reißerische Überschrift über einem »sehr persönlichen Artikel« stamme von der »Weltwoche«.

Tatsächlich gebraucht Maaßen in dem Artikel aber explizit die Chemotherapie als Metapher für die Bewältigung einer sehr aggressiven »Krankheit«, als die Geflüchtete und Migranten apostrophiert werden. Sein Team weist nun darauf hin, dass der Politiker bereits zuvor einen »vielbeachteten 20-Punkte-Plan zur Bewältigung der Migrationskatastrophe vorgelegt« habe.

Diesen Maßnahmenkatalog hat Maaßen am 6. November auf seiner Webseite veröffentlicht. Darin finden sich zahlreiche Vorschläge, die sowohl die Ampel-Koalition als auch die CDU-Bundesspitze und zuletzt am Wochenende der CDU-Landesverband Baden-Württemberg gemacht haben. Nur geht Maaßen immer noch einen kleinen Schritt weiter. So glaubt er, dass abgelehnte Asylbewerber auch ohne Rückführungsabkommen mit Zielländern dorthin abgeschoben werden sollten. Die entsprechenden Staaten will er durch Aufkündigung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gefügig machen.

Die CDU Baden-Württemberg hat indes am Wochenende auf einem Parteitag ein Papier beschlossen, dessen Forderungen denen Maaßens nur wenig nachstehen. Darin fordert die Landespartei die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl. Weiter verlangen die Christdemokraten, »das Konzept der sicheren Drittstaaten zum Leitprinzip des europäischen Asylrechts« zu machen.

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Dieses sieht im Wesentlichen vor, dass Asylverfahren nicht mehr in Deutschland oder einem anderen EU-Staat stattfinden, sondern in Drittstaaten ausgelagert werden. Die Südwest-CDU stellt sich das Verfahren so vor, dass Asylsuchende ihr Verfahren generell in noch zu findenden sicheren Drittstaaten durchlaufen – und dort auch im Fall einer positiven Entscheidung bleiben sollen.

Die Anforderungen an mögliche Drittstaaten sollen demnach »auf den ursprünglichen Kern der Verpflichtungen der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten« reduziert werden. Auch soll es explizit nicht nötig sein, dass der Antragsteller eine persönliche Verbindung zum Drittstaat hat. Denn das Grundrecht auf Asyl gewähre Menschen nicht, sich das »Land des Schutzes frei auszusuchen«.

»Wir wollen damit einen Weg einschlagen, den Australien seit Jahren sehr erfolgreich praktiziert und den nun auch Großbritannien mit Ruanda anstrebt«, erklärt die Südwest-CDU. Australien bringt irregulär ins Land gelangte Menschen in Internierungslagern auf entfernten Inseln unter. Großbritannien hat eine Vereinbarung mit Ruanda getroffen, wonach Flüchtlinge in das afrikanische Land abgeschoben werden sollen. Der Oberste Gerichtshof des Königreichs befand dies vergangene Woche jedoch für rechtswidrig.

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