Ein Pulitzer-Preis, der in Deutschland nicht erwähnt wird

Der Schriftsteller Mosab Abu Toha wurde für Kommentare über seine Heimat Gaza im »New Yorker« geehrt

Personalie: Mosab Abu Toha – Ein Pulitzer-Preis, der in Deutschland nicht erwähnt wird

Als am Dienstag »Tagesschau«, Deutschlandfunk und andere deutsche Medien über die diesjährigen Pulitzer-Preise berichteten, wurden die Gewinner der vielen Sparten von Reportage über Foto bis hin zum Roman erwähnt. Nur einer nicht: Mosab Abu Toha. Dabei ist der 32-Jährige ein bereits international bekannter Dichter und Autor politischer Texte. Für seine Lyrikbände ist er bereits mit renommierten Preisen wie dem American Book Award geehrt worden. Nun kommt der Pulitzer Prize for Commentary für eine Serie von essayistischen Kommentaren zur Lage in seiner Heimat, dem Gaza-Streifen, hinzu.

Ein heikles Thema für Deutschland, neben den USA engster Verbündeter Israels. Doch in Medien verschweigen? So war es schon im vergangenen Jahr, als der i Jerusalem lebende jüdische Autor Nathan Thrall einen Pulitzer-Preis gewann – für ein Buch, in dem er am Beispiel einer Familie die Unterdrückung der Palästinenser in Ostjerusalem schildert.

Tohas Biografie ist exemplarisch für Diskriminierung und Gewalt, die die palästinensische Bevölkerung in Gaza wie auch im Westjordanland seit Jahrzehnten erleidet und die seit den Massakern, die Hamas-Terroristen am 7. Oktober 2023 an Menschen in Israel verübten, gerade in Deutschland noch stärker ausgeblendet werden als zuvor. Mosab Abu Toha kam im Flüchtlingslager Al-Shati zur Welt und lebte bis Ende 2023 in Beit Lahia im Norden Gazas. Der Autor, der in Gaza Englisch und kreatives Schreiben studierte, hatte nach Beginn des israelischen Krieges Glück: Er konnte mit seiner Frau und den drei Kindern im November 2023 über Ägypten in die USA emigrieren.

Zuvor war er von israelischen Soldaten festgenommen, in ein Gefangenenlager in der Negev-Wüste gebracht und dort schwer misshandelt worden. Doch er wurde zwei Tage später entlassen. Er ist seither in Sicherheit, doch das Grauen, das Angehörige und Bekannte erleben, ist Gegenstand seiner Kurzgeschichten, Kommentare und Gedichte. Die Hälfte der Texte in seinem jüngsten Lyrikband »Forest of Noise« entstand vor dem 7. Oktober 2023, die andere danach.

Manches liest sich wie eine Handlungsanleitung: »What a Gazan Should Do During an Israeli Air Strike«. Bei einem solchen Angriff wurde auch Tohas früheres Haus und die von ihm 2019 eingerichtete Edward-Said-Bibliothek zerstört, die erste englischsprachige in Gaza, benannt nach dem palästinensischen Literaturtheoretiker und -kritiker Edward Said. Seine jüngsten Veröffentlichungen wurden in Deutschland immerhin wahrgenommen. Die »Zeit« sprach mit ihm im April. »Es vergeht kein einziger Tag, an dem ich nicht herzzerreißende Nachrichten über Freunde, deren Familien oder meine eigenen Verwandten höre«, sagte er dem Blatt. Auf der Plattform X schildert er die Ereignisse in seiner früheren Nachbarschaft, auch die der letzten Tage mit Dutzenden Opfern.

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