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Wohnungsnot in Berlin: Nicht wirklich vor Profit geschützt

In 30 Jahren ist die Zahl der Wohnungen für Wohnungslose in Berlin nicht gestiegen

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor 30 Jahren wurde das Geschützte Marktsegment (GSM) in Berlin eingeführt. Über das Programm werden jährlich etwas mehr als 1000 Wohnungen an Menschen vermittelt, die akut von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind und aufgrund ihrer sozialen Lage keine Chance auf eine selbstständige Anmietung haben. Obwohl es immer mehr Wohnungslose gibt und auch die Zahl der Anträge für das Programm steigt, bleiben die jährlichen Wohnungsvermittlungen auf konstantem Niveau.

Die Grundlage für das GSM bilden Kooperationsverträge zwischen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales und den Wohnungsunternehmen. Es nehmen fast ausschließlich landeseigene Wohnungsbauunternehmen daran teil. Lediglich Vonovia/Deutsche Wohnen ist durch ihren Kauf der GSW seit 2013 verpflichtet, jedes Jahr 230 Wohnungen für das GSM zur Verfügung zu stellen. Doch das Unternehmen kommt seiner Verpflichtung nicht nach.

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Für eine Aufnahme in das Programm müssen Menschen mehrere Kriterien erfüllen. Der Verein Asap ist neben den Fachstellen der Bezirke für die Prüfung der Anträge zuständig. Für eine Bewilligung muss laut Verein eine Meldung in Berlin seit mindestens einem Jahr, ein Wohnberechtigungsschein und eine Anbindung an eine soziale Einrichtung vorliegen.

Juri Schaffranek, Sprecher des Trägers für Straßensozialarbeit Gangway, hält die mangelnde Wohnraumversorgung für den Grund, dass bei den Antragstellenden stark ausgesiebt wird. »Würde man die Kriterien weniger rigoros auslegen, entsprächen die Aufnahmen ins Programm mehr dem tatsächlichen Bedarf.«

Und der Bedarf ist riesig: Schätzungen von Gangway zufolge gibt es in der Stadt 60 000 Wohnungslose und bis zu 7000 Obdachlose auf der Straße. Mitte 2022 waren jedoch laut Senatsverwaltung nur 985 vermittlungsberechtigte Haushalte registriert.

Zugleich sind die Notunterkünfte der Kältehilfe bereits zu 90 Prozent ausgelastet. Wer dort übernachte, habe jedoch ohnehin kaum eine Chance, einen Platz über das GMS zu bekommen, sagt Stefan Schützler von der Berliner Obdachlosenhilfe. »Die werden nicht vom Hilfesystem erfasst.« Um einen Antrag zu stellen, brauche es richtige Betreuung, die in den Notunterkünften nicht geboten werde.

Beide Sozialarbeiter sehen am Ende das Problem in mangelnder Wohnraumversorgung. »Da können sie noch so viel mit einem Papier wedeln und sie bekommen keine Wohnung«, sagt Schützler. Schaffranek sieht Chancen vor allem bei besseren Gesetzen gegen Zweckentfremdung, um so Leerstand nutzen zu können. Auch die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen gehe den richtigen Weg, denn Wohnungen dürften keine Sepkulationsobjekte sein, so Schaffranek.

Wer mit Wohnungen Profit machen will, kommt sozialer Verpflichtung weniger nach: Eine schriftliche Anfrage des Linke-Abgeordneten Niklas Schenker hatte Anfang des Jahres gezeigt, dass die Deutsche Wohnen in den vergangenen Jahren nur zwischen 19 und 57 der 230 vertraglich festgelegten Wohnungen für das Programm zur Verfügung gestellt hat. Laut Berliner Mieterverein entzog das Unternehmen dem GSM auf diesem Wege in den vergangenen zehn Jahren insgesamt 1700 Wohnungen. In der Kooperationsvereinbarung sind jedoch keine rechtlichen Konsequenzen für die Nichteinhaltung der Quote festgeschrieben. Ulrike Hamann-Onnertz vom Mieterverein fordert deshalb vom Senat eine Sanktionierung der privaten Unternehmen, sollten sie ihren Verpflichtungen nicht nachkommen.

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