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»Wish«: Welche Wünsche dürfen Wirklichkeit werden?

Disneys Animationsfilm »Wish« erzählt von einer Gruppe junger Menschen, die gegen die autoritäre Ordnung anstinken und für ihre Wünsche eintreten

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.

Wünsche können sich erfüllen, wenn die Menschen dafür kämpfen, dass sie Wirklichkeit werden. Oder die Menschen können nichts tun und einfach nur hoffen und warten, aber dann werden ihre Wünsche unter Umständen auch nie erfüllt. Genau um dieses Problem geht es in Disneys neuem Animationsfilm »Wish«. Um die Titel gebenden Wünsche kümmert sich in der Stadt Rosas, die irgendwo am Mittelmeer liegt, wie ein spätmittelalterliches Granada wirkt und als diverser Flucht- und Sehnsuchtsort vieler Menschen fungiert, ein mächtiger König und Zauberer namens Magnifico. Ihm vertrauen alle Bewohner an ihrem 18. Geburtstag ihre geheimsten und innigsten Wünsche an und vergessen sie in dem Moment. Der König sammelt die Wünsche als glitzernde, schwebende Kugeln im Schlossturm und lässt bei regelmäßig stattfindenden Wunschzeremonien einige davon Wirklichkeit werden. Die junge Asha, die als Stadtführerin neu angereiste Bewohner herumführt und sie mit »Hola, Salam und Shalom« begrüßt, bewirbt sich als magische Assistentin des Königs. Das Vorstellungsgespräch geht schief, aber Asha erfährt dabei, dass der König die meisten Wünsche nie erfüllen will, weil er sie für zu gefährlich hält. So auch den Wunsch ihres Großvaters, der als Sänger junge Menschen zu Veränderungen inspirieren will.

Asha läuft in ihrer Verzweiflung davon und verbirgt sich nachts auf einem Baum, auf dem sie als Kind regelmäßig mit ihrem schon verstorbenen Vater saß und die Sterne beobachtete. Und plötzlich kommt ein Stern zu ihr geflogen und entpuppt sich als eine Art kosmische Wunschmaschine, die außerdem alle Tiere sprechen lässt. Ashas Freunde sind davon begeistert, aber ebenfalls enttäuscht vom König, der von der magischen Anwesenheit des Sterns weiß und ihn Asha wegnehmen will, sodass ein wilder Kampf um die Frage entbrennt, wer Magie anwenden darf und wer nicht. »Wish« ist eine äußerst flott erzählte und empowernde Fantasy-Geschichte, in der es nicht um schöne Prinzessinnen oder tolle Helden geht, sondern um eine Gruppe ganz einfacher junger Menschen, die kollektiv gegen die autoritäre Ordnung ankämpfen. Der Film lässt sich fast schon zu einfach als Allegorie auf ideologisch unterdrücktes Begehren und den Kampf gegen den gesellschaftlichen Verblendungszusammenhang lesen. Der so freundliche und gute König reagiert hart, greift zu dem, was als gefährliche Magie bezeichnet wird, die einmal entfesselt wie der Faschismus, kaum mehr zu kontrollieren ist. Aus dem Good-Governance-Vorzeigeparadies Rosas wird ein autoritär geführtes Königreich. Der immer verrückter und aggressiver werdende König steht stellvertretend für zahlreiche Despoten dieser Welt.

Jenseits dieser politischen Lese ist »Wish« gleichzeitig der Film zum Abschluss der reichlich mit Werbung angepriesenen 100-Jahr-Feier der Disney-Studios. In den USA lief der Film am Thanksgiving-Wochenende an, hierzulande soll er im Vorfeld von Weihnachten die Kinos füllen. Finanziell stellt der Disney-Konzern, der vergangenes Jahr mit durchaus anspruchsvollen Animationsfilmen wie »Lightyear« und »Strange World« böse Flops an den Kinokassen erlebte, an diese ganz neu erfundene Geschichte große Erwartungen. Dabei soll »Wish« auch als Bild für die Wunscherfüllung von Kinderträumen im Animationsfilm verstanden werden. Das wird mit viel Musik, mit jeder Menge sprechender sowie singender Tiere und reichlich gelungener Situationskomik kindgerecht und spannend erzählt. Wobei die Kids im Kinosaal beim gar nicht so leicht zu führenden Kampf der bunt zusammengewürfelten und diversen Truppe von Ashas Freunden gegen die autoritäre Ordnung Magnificos spannungsgeladen mitfiebern dürften. »Wish« will auch die Geschichte Disneys zeichentricktechnisch nacherzählen, sodass hier computeranimierte Bilder und die in früheren Jahrzehnten übliche handgezeichnete Wasserfarben-Animation miteinander kombiniert werden. Einige Bilder vor allem in der Totalen wirken dadurch vintageartig und kontrastieren mit modernen, schnell geschnittenen computeranimierten Bildern.

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Auch wenn »Wish« fürs linke, herrschaftskritische Feuilleton keine so ergiebige Fundgrube wie die Disney-Produktionen »Frozen II« oder »Encanto« ist, wo es neben weiblicher Selbstermächtigung auch um Postkolonialismus und Fluchttraumata geht, hat der Film einiges zu bieten. Es geht um Solidarität, um Mut, um die Fähigkeit zu verzeihen und um die Schwierigkeit, seinen eigenen Wünschen gerecht zu werden. Davon kann sich Disney eine Scheibe abschneiden. Denn in der 100-jährigen Geschichte des Konzerns mit über 60 Animationsfilmen gibt es bisher nur fünf animierte Charaktere, die nicht weiß sind. Asha ist nun der sechste, aber wieder weiblich. Mal sehen, ob es Disney, der viel Wert auf Diversität legt, auch einmal gelingt, einen nicht-weißen männlichen Charakter Hauptfigur sein zu lassen.

»Wish«, USA 2023. Regie: Chris Buck, Fawn Veerasunthorn, Buch: Jennifer Lee, Allison Moore. 95 Min. Kinostart: 30. November.

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