Law and Order in Berlin: Neue Allianzen gegen Repression

Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes wird beschlossen

  • Moritz Lang
  • Lesedauer: 5 Min.
Der Senat ist anderer Meinung: Protest des Bündnisses für soziale Sicherheit gegen die Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vor dem Abgeordnetenhaus am Donnerstag
Der Senat ist anderer Meinung: Protest des Bündnisses für soziale Sicherheit gegen die Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes vor dem Abgeordnetenhaus am Donnerstag

Taser, Bodycams und Präventivgewahrsam für Ordnungswidrigkeiten: Diese Instrumente stehen der Berliner Polizei in Zukunft zur Verfügung. Am Donnerstag soll die Verschärfung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (Asog) im Abgeordnetenhaus beschlossen werden. »Die Regierungskoalition hat ein unglaubliches Tempo vorgelegt«, sagt David Kiefer, Sprecher des Bündnisses für soziale Sicherheit. »Es ist problematisch, dass einschneidende Veränderungen so schnell ohne große öffentliche Diskussion beschlossen werden.«

Initiativen protestieren dagegen: Sie sehen in der Veränderung nicht mehr Sicherheit, sondern eine stärkere Gefährdung besonders marginalisierter Gruppen. Mit dem Erstarken der AfD und immer rechteren Diskursen auch in allen anderen Parteien dürfe man dem Staat nicht jetzt schon bessere Repressionsinstrumente geben. Alarmiert sind auch Fußballfans. Sie sind ebenfalls von der Verschärfung betroffen und vernetzen sich mit dem Bündnis, das gegen die Asog-Novelle protestiert.

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Bis Redaktionsschluss war die Gesetzesänderung noch nicht beschlossen, was aber im Laufe des Abends geschehen sollte. CDU und SPD begründen die Verschärfung mit den »gewandelten Anforderungen sicherheitsbehördlicher Tätigkeit in einer Weltmetropole«. Gemeint sind die Auswirkungen von Armut und Sparpolitik sowie sich zuspitzende gesellschaftliche Spannungen, die damit einhergehen. Um die Stadt davon zu säubern und Grundrechte effektiver einschränken zu können, werden der Polizei nun mehr Instrumente in die Hand gegeben.

Flächendeckend erhalten Beamte Kameras an ihren Uniformen (Bodycams) und Distanz-Elektroschockgeräte (Taser). Auch soll der Präventivgewahrsam bei Verdacht auf schwere und terroristische Straftaten von bisher zwei auf fünf beziehungsweise sieben Tage erhöht werden. Die Hürden für zwei Tage Präventivgewahrsam sinken deutlich. Dafür reicht nun bereits der Verdacht auf das Begehen einer Ordnungswidrigkeit »mit erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit«. Anhaltspunkt kann bereits die Ankündigung einer Tat, ein Auffallen in der Vergangenheit oder das Auffinden von »Waffen, Werkzeugen oder sonstigen Gegenständen« zur Tatbegehung sein.

David Kiefer freut sich, dass am Donnerstagmorgen rund 50 Menschen vor dem Abgeordnetenhaus protestieren. »Aber da ist noch Luft nach oben.« Im Bündnis sind zivilgesellschaftliche Gruppen organisiert wie Wrangelkiez United, der Arbeitskreis kritischer Jurist*innen und die Rote Hilfe. Kommende Woche sei man bei den Fußballfans von Union Berlin in Köpenick. »Wir wollen den Kontakt mit den Fans intensivieren, uns austauschen und das Bündnis auf breitere Füße stellen«, sagt Kiefer. Beim Heimspiel am vergangenen Wochenende hatten die Fans mit einem Banner in der Kurve vor Grundrechtsverletzungen durch das neue Polizeigesetz gewarnt.

»Es ist immer gut, wenn sich gesellschaftliche Gruppen austauschen«, sagt der auch als »Fananwalt« bekannte René Lau dem »nd«. Er ist seit fast 30 Jahren als Rechtsanwalt tätig und spezialisiert auf Straf- und Sportrecht. Er habe kein Verständnis für das Gesetz, es könne auch Fußballfans massiv einschränken, sagt er. Bodycams seien angeblich gut für alle. Jedoch »braucht es transparente Regelungen, wann sie angeschaltet werden und wer darüber entscheidet«, erklärt Lau. Beim Einsatz in anderen Bundesländern seien teils in kritischen Situationen bei allen beteiligten Beamten die Batterien der Kamera leer gewesen.

Auch die Ausweitung des Präventivgewahrsams sei gefährlich. »Mir geht es nicht um zwei oder fünf Tage, sondern um die rechtlichen Voraussetzungen«, sagt der Anwalt. Zwar werde ein richterlicher Beschluss benötigt, die Entscheidung aber auf Grundlage der Informationen der Polizei getroffen. Kritisch sieht er, dass der Gewahrsam nun bereits mit schwammigen Begründungen beim Verdacht auf Ordnungswidrigkeiten möglich ist. »Wenn die Tür erst mal einen Spalt offen ist, geht sie nie wieder zu«, sagt Lau. Lebensgefährlich werde es beim niedrigschwelligen Einsatz von Tasern. Lau verweist auf die Kritik von Menschenrechtsorganisationen.

»Der Einsatz von Tasern kann Menschen schwer verletzen oder sogar töten, besonders wenn Betroffene Vorerkrankungen haben, psychisch stark belastet sind oder Drogen konsumieren«, sagt Paula Zimmermann von Amnesty International. Doch dies ist von außen oft nicht zu erkennen, oder Polizisten fehlt die entsprechende Schulung – in der Vergangenheit wurden schon oft Menschen durch den Tasereinsatz getötet. Taser werden als milde Alternative zur Schusswaffe angepriesen. Aber das Gesetz »erlaubt Tasern auch als Ersatz für Hiebwaffen«, so Zimmermann.

Am Donnerstag wird auch der Berliner Doppelhaushalt beschlossen. Noch nie hat ein Senat so viel Geld ausgegeben, doch die Investitionen in soziale Sicherheit werden nicht erhöht. »Soziale Träger berichten, dass Kürzungen ins Haus stehen oder die Gelder nicht an Inflation und Lohnsteigerungen angepasst werden«, sagt David Kiefer. Dies bedeute eine reelle Kürzung.

Parallel wird der Etat der Repressionsbehörden um mehr als 100 Millionen Euro auf knapp 2 Milliarden Euro aufgestockt. Der Abgeordnete Ferat Koçak (Linke) kritisiert, dass der Anteil der Polizei am Haushalt in Berlin immer weiter wächst und bereits höher liegt als in New York. »Und wir kennen alle die Bilder der hochgerüsteten US-Polizei.« Das Resultat dieser Prioritätensetzung sieht David Kiefer im Wrangelkiez: »Wir haben hier seit 2015 immer mehr Polizei, aber die sozialen Konflikte haben sich trotzdem verschärft.«

In Zukunft plant der Senat dennoch die Einführung von Videoüberwachung an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten und den gezielten Todesschuss.

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