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AfD und Union wollten Bundestagsvize Petra Pau stürzen

Die rechte Seite des Parlaments wollte aus der Auflösung der Linksfraktion politisches Kapital schlagen. Der Versuch misslang

  • Wolfgang Hübner und Pauline Jäckels
  • Lesedauer: 4 Min.
Demonstrativ setzten sich während der Debatte Parlamentspräsidentin Bärbel Bas und andere Sozialdemokraten zu Petra Pau und den Linke-Abgeordneten.
Demonstrativ setzten sich während der Debatte Parlamentspräsidentin Bärbel Bas und andere Sozialdemokraten zu Petra Pau und den Linke-Abgeordneten.

Es war ein lebhaftes Stück Polittheater, das am Mittwochabend im Bundestag aufgeführt wurde, und zwar eins aus dem Genre Bauernschwank. Denn die Fraktionen von CDU/CSU und AfD unternahmen den Versuch, die Linke-Abgeordnete Petra Pau aus dem Bundestagspräsidium zu entfernen. Zwar mit jeweils eigenem Antrag, aber mit dem gleichen Ziel. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner beschrieb das Unternehmen so: »Getrennt marschieren, vereint schlagen.«

Ein vergeblicher Vorstoß, denn erstens war klar, dass sie keine Mehrheit bekommen würden, und zweitens gab es schon genügend Sachverständige, die der Attacke auf Pau eine zweifelhafte oder gar fehlende Rechtsgrundlage bescheinigten. Das hielt die AfD nicht davon ab, eine Rücktrittsforderung an Pau zu verlangen – und CDU/CSU nicht davon, auf Veränderung der Geschäftsordnung zu drängen und die Abwahl von Präsidiumsmitgliedern ins Regularium aufzunehmen.

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Bei der AfD spielte vor allem der Frust darüber mit, dass bereits 15 ihrer Bewerber bei der Vizepräsidenten-Kandidatur gescheitert sind. »Eine Fraktion, ein Vizepräsident – keine Fraktion, kein Vizepräsident«, fasste Brandner seine Sicht zusammen. Klingt plausibel, aber so einfach ist es nicht. Denn jeder Fraktion steht zwar das Recht auf einen Vize zu, aber die Entscheidung, ob die Bewerber geeignet sind, ist Sache des Parlaments. Und das entschied sich bislang gegen alle AfD-Angebote. Dagegen ist es bei Auflösung einer Fraktion kein Automatismus, dass sich die zugehörige Vizepräsidentin verabschieden muss. Denn Pau wurde wie alle anderen Präsidiumsmitglieder für die gesamte Dauer der Wahlperiode gewählt – eine Ansicht, die auch Norbert Lammert vertritt, lange für die CDU Bundestagspräsident und heute Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung. Weshalb der FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki dem CDU-Redner Philipp Amthor empfahl, sich dort etwas politische Bildung zu holen.

Bemerkenswert, dass nicht nur Die Linke Paus politische und moralische Kompetenz betonte. Die Sozialdemokratin Sonja Eichwede dankte ihr für ihre faire Amtsführung, der Grüne Till Steffen würdigte ihren Einsatz für Flüchtlinge, der Linke Dietmar Bartsch Paus Engagement gegen Antisemitismus und Antiziganismus. Und der Liberale Kubicki hofft, dass Pau sich »von diesen unbotmäßigen Angriffen nicht beeindrucken lässt«.

Der Antrag der AfD auf Rücktritt von Petra Pau wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt, derjenige der Union fand auch die Zustimmung der AfD. Nicht nur diese Abstimmung warf ein Schlaglicht auf die Stoßrichtung der Debatte. Erstmals habe sich, kritisierte die SPD-Abgeordnete Eichwede, die Unionsfraktion mit einem eigenen Antrag einem von der AfD gesetzten Thema angeschlossen.

Die jetzt fraktionslosen Mitglieder der Linkspartei gaben sich bei der ersten Bundestagssitzung seit Ende der Fraktion betont geschlossen. Sie wurden zwar in die hinterste Reihe des blau-bestuhlten Plenarsaals verbannt – in ihren Fraktionssitzen dürfen sie ab sofort nicht mehr gemeinsam Platz nehmen. Dort machten sie ihre Präsenz aber klar bemerkbar und klatschten noch ein bisschen lauter als sonst, wenn die Parteikollegen vorm Plenum redeten. »Wir haben uns zusammengesetzt, damit es nicht nach so großen Lücken aussieht und der Applaus durchkommt« erzählt Janine Wissler, Vorsitzende der Linkspartei, dem »nd«.

Gänzlich abwesend waren die fraktionslosen Mitglieder der Wagenknecht-Partei BSW, deren erster Auftritt im Plenum mit Spannung erwartet worden war. Auch ihr Recht auf verkürzte Redezeit, das ihnen wie allen anderen fraktionslosen Abgeordneten zusteht, nahmen die BSWler am Mittwoch und am Donnerstag nicht in Anspruch. Schon vor dem Bruch mit der Linken waren manche Wagenknecht-Anhänger nur selten im Plenum zu sehen, ebenso in den Ausschusssitzungen, die den Kern der parlamentarischen Arbeit darstellen. Daran habe sich laut Wissler bisher nichts geändert.

Trotz des eingeschränkten Status dürfen die Abgeordneten in den Ausschüssen mitarbeiten – ohne Stimmrecht. »Ohne unsere Fachreferenten müssen wir uns unsere Zeit noch besser einteilen«, so Wissler. Diese hatten die Linke-Abgeordneten bei der inhaltlichen Vorbereitung unterstützt. Für die Fraktionslosen dürfen sie nicht mehr arbeiten, auch wenn sie bis Ende März noch bei der sich auflösenden Fraktion beschäftigt sind. »In der Kernzeit wollen wir aber zu jedem Punkt reden«, betont Wissler, »und uns so aufteilen, dass immer jemand im Plenum sitzt«.

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