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Berliner Jugendkultur: Hoffnung für die Linse
Lichtenberger Jugendclub Linse will zusammen mit Potse-Kollektiv neu eröffnen
Am 21. Dezember ist erst einmal Schluss im Jugendclub Linse in Lichtenberg. Nach 40 Jahren schließt der langjährige Treffpunkt in der Nähe der S-Bahngleise. Denn die Sozdia-Stiftung wird das Zentrum nicht mehr weiterbetreiben – nach eigenen Angaben wegen mangelnder Finanzierung durch den Bezirk.
Aber Mohannad macht diese Nachricht nicht traurig. Der junge Mann ist aktiv im Solidaritätsnetzwerk Berlin, das sich regelmäßig in der Linse getroffen hat. In den letzten Monaten hat das Solinetzwerk immer wieder Kundgebungen und auch eine Demonstration durch Lichtenberg organisiert, um für den Erhalt des Jugendclubs zu kämpfen.
Dass die vorübergehende Schließung Mohannad nicht pessimistisch stimmt, hat mit der Resonanz zu tun, die dieser Protest auslöste. Höhepunkt war ein Runder Tisch am 13. Dezember, auf dem sich ehemalige und aktuelle Nutzer*innen des Jugendclubs trafen. Sie waren sich schnell einig, dass die Linse weiter bestehen soll – und zwar mit dem Kollektiv des Jugendzentrums Potse als neuen Träger.
»Aber das wird nur geschehen, wenn sich die Jugendlichen und andere potenzielle Nutzer*innen organisieren und an die Öffentlichkeit gehen«, erklärte Tobias Krüger gegenüber »nd«. Er ist Vorsitzender des Gemeinnützigen Vereins LibeRo e.V., der seinen Sitz in der Linse hat. Vereinsziel ist die Unterstützung von Jugendkultur in Berlin. Auf die Bezirkspolitik ist Krüger nicht gut zu sprechen. »Die Politiker*innen haben sich nie für die Linse organisiert. Ohne die Proteste der Jugendlichen wäre der Club geschlossen worden.«
Davon ist auch Mohannad überzeugt. Schließlich sorgte sein Solinetzwerk nicht nur für wöchentliche Kundgebungen vor dem Rathaus Lichtenberg. Im Dezember nahmen sie auch an einer Sitzung der BVV teil. Obwohl die drohende Schließung der Linse nicht auf der Tagesordnung stand, konnten sie ihr Anliegen im Rahmen einer Bürger*innenanfrage vortragen. Was die Unterstützer*innen der Linse besonders freut: Es gibt einen Träger, der die Arbeit in der Linse fortsetzen würde.
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Dabei handelt es sich um das Kollektiv des selbstverwalteten Jugendzentrums Potse, das über viele Jahre sein Zentrum im Stadtteil Schöneberg hatte, bis es schließlich der Gentrifizierung weichen musste. Doch wie bei der Linse gibt es auch bei der Potse selbstbewusste Nutzer*innen, die sich für den Erhalt ihres Jugendzentrums einsetzen. Sie organisierten Veranstaltungen und Demonstrationen. Schließlich zog die Potse in einen Ausweichort in die Zollgarage am Columbiadamm. »Doch hier können wir unsere Angebote nur in begrenztem Maße anbieten«, erklärte Paul vom Potse-Kollektiv. Zudem sind vom Bezirk zugesagte Maßnahmen der Sanierung und Lärmdämmung nicht eingehalten worden. »Wir waren auf der Suche nach Ersatzräumen und haben durch die Arbeit des Solinetzwerkes erfahren, dass Jugendliche sich für den Erhalt der Linse einsetzen«, erklärte Janine vom Potse-Kollektiv. »Wir trafen uns und entwickelten zusammen mit der Linse den Plan, dass wir unsere Räume in diesen Räumen fortsetzen können«, beschreibt Paul den Prozess der Verständigung zwischen den unterschiedlichen Jugendzentren in West- und Ostberlin.
Ein Kampf mit gutem Ausgang, könnte man denken. Jugendliche gehen gegen die Schließung ihres Clubs an die Öffentlichkeit, treffen dort auf ebenso engagierte Menschen, die neue Räume für ihre Arbeit suchen. Das Potse-Kollektiv und die Linse hätten wieder eine Perspektive. Doch so weit ist es noch nicht, bedauert Mohannad. »Wir haben mit dem Runden Tisch erreicht, dass wir uns vernetzen und dass die Linse auch nach der Schließung nicht in Vergessenheit gerät«, sagt er. Janine und Paul hoffen, spätestens nach der Sanierung des Gebäudes die Räume der Linie nutzen zu können. Doch es könnte auch schon früher sein. Tobias Krüger betont, dass die Sanierungspläne eine weitere Nutzung der Räume ausdrücklich nicht ausschließen.
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