Datenbanken beim BKA: Digitales Polizeiproblem

Bund und Länder führen Millionen fragwürdiger Datensätze beim BKA zusammen

Protest gegen den digitalen Überwachungsstaat in Düsseldorf.
Protest gegen den digitalen Überwachungsstaat in Düsseldorf.

Die Polizeien in allen 16 Bundesländern führen eigene Datenbanken, darunter etwa zur Vorgangsverwaltung, zur Speicherung von Straftätern oder auch zur Warnung vor aus ihrer Sicht gefährlichen Personen. Zusätzlich führt aber auch das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden sogenannte Amts-, Zentral- oder Verbunddateien, die von den Bundesländern oder auch den Polizeien des Bundes befüllt werden. So ist es im Bundeskriminalamtgesetz geregelt, das nun wegen der Datensammelwut der obersten Kriminalbehörde vom Verfassungsgericht geprüft wird.

Einige dieser Datenbanken enthalten höchst persönliche sensible Informationen zu vielen Millionen Menschen. Die größte ist das INPOL-System, das wiederum aus Dutzenden einzelnen Dateien besteht. Eine davon ist die Lichtbilddatei, in der die Polizeien Fotos aus erkennungsdienstlichen Behandlungen sowie von Asylsuchenden zusammentragen. Dazu waren im vergangenen Jahr rund 4,6 Millionen Personen mit 6,7 Millionen Bildern gespeichert. Diese Daten können seit 2008 auch mithilfe von Gesichtserkennung durchsucht werden. Bei Fingerabdrücken ist die Sammelwut der Polizeibehörden sogar noch größer: Eine entsprechende Datei zu »Asylsuchenden und sonstigen Ausländern« enthält beispielsweise 5,6 Millionen Personendatensätze. Die Zahl stammt aus den Antworten des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion vom April dieses Jahres.

Ebenfalls in INPOL speichert das BKA »Personengebundene Hinweise« (PHW). Derartige Sammlungen werden in jedem Bundesland geführt, viele der dortigen Einträge aber auch an die bundesweite Verbunddatei nach Wiesbaden übertragen. Offiziell dienen die PHW dem Schutz von Polizeikräften im Arbeitsalltag: Bei jeder personenbezogenen INPOL-Abfrage – also bei einer Verkehrskontrolle, vor einer Durchsuchung oder auch bei der Beantragung von Ausweisdokumenten – erscheint ein »Warnhinweis«, falls die betroffene Person mit einem PHW in der Datenbank gespeichert ist. Mögliche Kategorien sind etwa »Ausbrecher«, »bewaffnet«, »Betäubungsmittelkonsument«, »Freitodgefahr« oder »gewalttätig«. Einer Person können mehrere PHW zugeordnet sein.

Schon Mitte der 80er Jahre kritisierten die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder öffentlich die stigmatisierende Wirkung dieser polizeiinternen Merkmale: Häufig könne nicht belegt werden, aufgrund welcher Tatsachen den Betroffenen eine bestimmte Eigenschaft zugeschrieben werde. Das galt besonders für die ebenfalls existierenden PHW »geisteskrank« oder »Ansteckungsgefahr«, wozu Informationen auch aus Gesundheitsämtern oder Haftanstalten zugeliefert werden.

Auf Druck der Opposition und von Gruppen wie der Aids-Hilfe hatte der damalige Berliner CDU-Innensenator Frank Henkel bei der Innenministerkonferenz 2015 den Antrag eingebracht, die beiden PHW zu überarbeiten, allerdings ging es nur um Kosmetik: Die Kategorie »geisteskrank« lautet nunmehr »psychische und Verhaltensstörungen«, fast 16 000 Menschen sind bundesweit darunter gespeichert. Immer noch sind über 22 000 Personen beim BKA mit dem Label »Ansteckungsgefahr« versehen.

Häufig wurden die PHW von der Polizei zweckfremd auch zur Strafverfolgung durchsucht. Um diesen Rechtsbruch zu legalisieren haben die Innenminister einige der PHW-Kategorien in sogenannte »Ermittlungsunterstützende Hinweise« (EHW) überführt. Derzeit sind (Mehrfachnennungen von Personen mitgezählt) über eine Million solcher EHW vergeben, darunter in den Kategorien »Rocker« (rund 3500), »Sexualstraftäter« (rund 89 000), »Stalker« (rund 13 500) oder »Politisch motivierter Straftäter« mit verschiedener »Ausprägung« (insgesamt rund 41 000). Immer wieder umstritten ist die EHW-Kategorie »Reisender Täter«, in der auch viele Sintizze und Romnja gespeichert sind.

Nach dem Bundesdatenschutzgesetz kann jede Person in Deutschland bei der Polizei anfragen, welche Daten über sie vorhanden sind. Dieses Auskunftsrecht wird gegenüber dem BKA immer häufiger in Anspruch genommen, im vergangenen Jahr haben sich 4575 Menschen nach einer Speicherung erkundigt oder die Löschung beantragt. Auch die Zahl der Auskunftsverweigerungen stieg in den letzten Jahren, bleibt aber insgesamt niedrig. 2022 hat das BKA 119 »Teilverweigerungen« und 21 »Vollverweigerungen« ausgesprochen.

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