Letzte Geschenktipps

Geschenke-Auswahl-Endspurt: Shakespeare, Punk und Antifaschismus

  • nd-Feuilleton
  • Lesedauer: 3 Min.

Shakespeare

Weihnachten steht vor der Tür. Es sind diese letzten Tage des Jahres, die uns Gelegenheit geben, in uns zu gehen und uns vielleicht den letzten, den großen, den ewigen Fragen zu widmen. Zum Beispiel dieser hier: »Ist Shakespeare tot?« So lautet der Titel eines Buches von Mark Twain. 1909, ein Jahr vor dem Tod des herausragenden US-amerikanischen Humoristen veröffentlicht, ist dieses literarische Kleinod ein wunderbares Geschenk: voller Witz und Klugheit. Anekdoten- und kenntnisreich liefert Twain in seinem schmalen Band unzählige Hinweise zum großen Weltautor aus Stratford (der möglicherweise gar nicht aus Stratford kam). Twain erzählt aber nicht nur von Shakespeare, sondern auch von seinem eigenen bewegten Leben und gibt Auskunft über große Persönlichkeiten und über die Menschen, die sie noch über Jahrzehnte und Jahrhunderte verehren. Diese ausgesprochen hübsche Streitschrift mündet allerdings in einer mehr als gewagten Frage (die hoffentlich nicht zu viel Familienzwist unter der Plastetanne hervorruft): Kann es sein, dass der olle Willie gar nicht mehr am Leben ist?  erz

Mark Twain: Ist Shakespeare tot? A. d. Engl. v. Nikolaus Hansen, Piper, 128 S., geb., 14 €.

Geheimgeschichte

Es ist immer noch krass, wenn Johnny Rotten singt, dass er ein Antichrist sei, weil er Anarchist sei und nicht weiß, was er will, aber wie er’s kriegt – so beginnt »Anarchy in the UK«, die erste Single der Sex Pistols von 1976. Es war die Geburt von Punk, wie wir ihn heute kennen. In seinem Hauptwerk »Lipstick Traces« hat der US-Poptheoretiker Greil Marcus dieses Lied mit den Dadaisten, Situationisten, Adorniten, dem Pariser Mai von 1968 und diversen jugendlichen Subkulturen auf geniale Weise verbunden – dass es einen umwirft. Es ist die »Geheimgeschichte des 20. Jahrhunderts«, die der Häretiker, Außenseiter und Abenteuer. Er muss nur dieses Sex-Pistols-Lied hören, schon bricht ihm auf der »Kopfhaut der Schweiß aus«, wie er einleitend schreibt.  cm

Greil Marcus: Lipstick Traces. Von Dada bis Punk – kulturelle Avantgarden und ihre Wege aus dem 20. Jahrhundert. A.d. amerik.Engl. v. Hans M. Herzog, Fritz Schneider. Ventil, 496 S., br. 30 €.

Faschismus

Kurt Halbritter (1924–1978) ist ein fast vergessener großer realistischer Künstler aus Frankfurt am Main. Den größten Erfolg hatte er mit Karikaturen für die Bierdeckel der Brauerei Binding, die es in Frankfurt nun auch nicht mehr gibt. Halbritters wichtigstes Werk war die Cartoon-Serie »Mein Kampf«, erschienen in der ebenfalls untergegangenen Satirezeitschrift »Pardon« und 1968 als Buch, das nun wieder aufgelegt wird. Darin kommentiert er Passagen aus Hitlers wahnhaftem Bestseller mit eindrücklichen Zeichnungen normaler Leute in dumpfer bis begeisterter alltäglicher Zustimmung. Etwa, wenn ein Mädchen im BDM-Uniform zu ihrer bügelnden Mutter sagt: »Du solltest vorsichtig sein mit deinen Äußerungen, ich trage das Kleid des Führers!« oder eine Frau im Treppenhaus zu einer ihr entgegenkommenden Frau mit Judenstern meint: »Ich habe nichts gegen Sie. Es ist nur besser, wenn wir uns eine Zeit lang nicht kennen.« Beiläufige Beobachtungen aus der NS-Diktatur, die zeigen, wie Konformismus funktioniert – als freiwillige Menschenfeindlichkeit.  cm

Kurt Halbritter: Adolf Hitlers Mein Kampf. Bärmeier & Nikel, 240 S., geb., 24 €.

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