Israels Institutionen sind intakt

Mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs besteht die israelische Gesellschaft einen wichtigen Belastungstest, kommentiert Oliver Eberhardt

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 1 Min.
Demonstrierende in Tel Aviv mit einem Transparent mit dem Text der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 18. Februar vergangenen Jahres
Demonstrierende in Tel Aviv mit einem Transparent mit dem Text der israelischen Unabhängigkeitserklärung am 18. Februar vergangenen Jahres

Das Staatswesen Israels hat die härteste Belastungsprobe in seiner Geschichte durchlaufen. Die Diagnose: Was ab den 1920er Jahren rudimentär entstand, 1948 in wenigen Monaten zusammengezimmert und in den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit verfeinert werden musste, funktioniert. Hunderttausende Demonstranten haben monatelang gezeigt, dass sie die Justizreform nicht einfach hinnehmen würden. Der Oberste Gerichtshof hat nun mit seiner Ablehnung des Vorhabens bewiesen, dass er unparteiisch urteilt: Gegen die Reform haben auch die meisten konservativen Richter votiert.

In Israel leben Menschen mit säkularen und religiösen Lebensvorstellungen, Juden und Araber zusammen. Vor der Unabhängigkeit wollte man ein System schaffen, das alle Bevölkerungsgruppen einschließt und sie gleichzeitig zur Zusammenarbeit zwingt. Die Reform hätte das geändert: Künftig hätte jede Koalition den Staat mit knappen Mehrheiten nach eigenem Geschmack umbauen können, ohne jegliches Gegengewicht.

Aber die Rechte habe doch die Mehrheit, argumentiert man nun in der Koalition. Hier muss man erwidern: Nein, hat sie nicht. Von allen Wahlberechtigten haben unter 40 Prozent für eine der Regierungsparteien gestimmt. Und 2023 gilt das Gleiche wie 1948: Kein Teil der Gesellschaft hat das Recht, einen anderen zu dominieren. Spaltung überwindet man durch Zuhören und Zusammenarbeit; Regierungschef Benjamin Netanjahu hat viel zu oft bewiesen, dass ihm diese Eigenschaften fehlen.

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